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Archiv-Artikel

Lustschreie im Keller

Im Café Moskau feierte das Magazin „Texte zur Kunst“ mit DJs wie Miss Kittin und Gudrun Gut sein „Fest der Liebe“

Vor dem Café Moskau bietet sich ein hübsches Weihnachtsszenario: Direkt vor der Tür hat der „Tannenmann“ seine frisch gehackten Nadelbäume eingezäunt, das Kino International gegenüber schmückt sich mit einem Plakat für „Herr der Ringe“. Fehlt eigentlich nur noch der Schnee. Aber man weiß ja: das Fest der Liebe ist schon lange nicht mehr das, was es mal war.

Genauso wenig war am Mittwochabend das vom Berliner Magazin Texte zur Kunst im Café Moskau veranstaltete „Fest der Liebe“ das, was man sich darunter hätte vorstellen können. „Lovesongs only“ lautete das Motto – passend zur neuen, sich rund um das Thema „Liebe“ drehenden Ausgabe des Magazins. Bei dem mit Miss Kittin, Gudrun Gut, Christian Flamm, Lawrence und Carsten Jost exquisit besetzten DJ-Line-Up hätte man gespannt darauf sein können, intime, sonst kaum zu erhaschende Einblicke in das Liebesverständnis und Lovesong-Repertoire der DJs zu gewinnen. „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“, „Lovely Rita“ oder „Sexual Healing“?

Daraus wurde nur teilweise etwas. Begünstigt durch die räumliche Aufteilung des Café Moskau folgte man nämlich dem modernen Verständnis, dass Liebe und Sex zwei getrennte Dinge sind. So waren die Lovesongs – u. a. Elvis Presley, Barbara Morgenstern und Philippe Sarde – lediglich oben in der Honecker-Lounge von Gudrun Gut und Christian Flamm zu hören. Im Keller pumpte derweil, wie an jedem normalen Wochenende, Techno-House, der weniger aufs Herz als auf Unterleib und Füße zielt.

Geht man allerdings (wie etwa die Pet Shop Boys in einem ihrer Songs) davon aus, dass sich auf jeder Party – also auch auf dieser – stets letztlich alles um Sex dreht und somit ja auch um Liebe, zumindest manchmal ein kleines bisschen, dann passte auch das wieder.

Miss Kittin spielte „Big Fun“, und die vom Publikum dazu ausgestoßenen Lustschreie deuteten an, dass es mit der Liebe tatsächlich noch klappen könnte – spätestens auf der Treppe, die Keller und Lounge, gewissermaßen also „Liebe“ und „Sex“ miteinander verband und auf der man dicht gedrängt auf Tuchfühlung mit fremden Menschen, sprich: potenziellen Liebhabern, ging.

Draußen wartete dann zwar immer noch kein Weihnachtsschnee, dafür aber frische Luft. Und wohl auch die altbekannte Frage „Zu mir oder zu dir?“. Und die hat – anders als der „Tannenmann“ – immer Saison.

Fest der Liebe? Mit Texte zur Kunst einmal. Im Bett das ganze Jahr. JAN KEDVES