: Die Angst um das Budget macht kreativ
Für den Telebus wird ein neues Konzept erarbeitet. Das soll Geld sparen und vor allem den Fahrdienst besser machen
Gerade in Zeiten leerer Kassen ist Erfindungsreichtum gefragt. Zum Beispiel die Sozialverwaltung. Die zeigt, dass der Sparzwang, den Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) allen Verwaltungen verordnet hat, nicht immer nur Verschlechterung der Angebote zur Folge haben muss. Sie hat hart um die Beibehaltung des so genannten Telebusses gekämpft, den Fahrdienst für Behinderte. Dessen Finanzierung mit 12,1 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre hat Sarrazin genehmigt – aber der Sozialverwaltung ist klar, dass dieser Posten Begehrlichkeiten weckt. Deshalb soll das Konzept überdacht und gegebenenfalls geändert werden: um Geld zu sparen und die Leistung zu verbessern.
Bislang stehen dem mobilen Dienst 160 Busse zur Verfügung, die auf Wunsch die Betroffenen zu Hause abholen und zum Ziel bringen, was notfalls auch bedeutet, sie die eine oder andere Treppe hinauf zu tragen. Dazu kommen Taxigutscheine, die ebenfalls von den Betroffenen in Anspruch genommen werden können. Berechtigt, diesen Service in Anspruch zu nehmen, sind rund 40.000 Schwer- und Mehrfachbehinderte. Insgesamt gibt es aber nur rund 13.000 Nutzer pro Jahr – weshalb der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Christian Gaebler, von „Überversorgung“ spricht.
Denn neben dem Fahrdienst bauen auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) seit Jahren ihre Busse und Bahnen behindertengerecht aus. Inzwischen sind auf 74 Prozent aller Buslinien und 54 Prozent aller Straßenbahnlinien behindertengerechte Fahrzeuge im Einsatz. Und fast ein Drittel aller U-Bahnhöfe verfügt über Aufzüge oder Rampen. „Es macht doch keinen Sinn, Millionen Euro pro Jahr für den behindertengerechten Ausbau der BVG auszugeben und gleichzeitig Sonderfahrdienste zu organisieren“, kritisiert Gaebler. Ziel des neuen Konzepts müsse es deshalb sein, den Telebus mit den Angeboten der BVG zu koordinieren.
Das sieht man in der Senatsverwaltung für Soziales ähnlich, es wird an einem Konzept gearbeitet, das genau das leisten soll. „Wir müssen die Leistungen für die Kerngruppe erhalten, die auf den Telebus angewiesen ist“, sagt Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Sozialsenatorin Knake-Werner. Für die anderen müsse man den Lückenschluss zur BVG hinkriegen, etwa durch bessere Informationsvernetzung oder mobilen Einsatzteams.
Dass das neue Konzept vor allem dazu dienen soll, Geld zu sparen, streitet man in der Sozialverwaltung ab. Das sei ein positiver Nebeneffekt, aber nicht die Hauptmotivation. Man habe es hier mit der ambivalenten Situation zu tun, ein teures und deutschlandweit einzigartiges System zu haben, das gleichzeitig aber von vielen Nutzern kritisiert werde, so Steinbrenner. Deshalb gehe es in erster Linie darum, das Angebot für die Betroffenen optimaler zu gestalten.
Dass die Möglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs bislang von den Betroffenen nur spärlich benutzt werden, liegt nach Einschätzung Steinbrenners vor allem an Hemmschwellen, die viele immer noch hätten. „Oft sind die Möglichkeiten, die es inzwischen gibt, einfach nicht bekannt, oder man ist mit deren Nutzung erst mal überfordert.“ Auch die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Ülker Radziwill, teilt diese Einschätzung: „Behinderten ist oft vor allem eines wichtig: Ihre Flexibilität und Selbstbestimmtheit“, so Radziwill. Trotzdem nutzten viele die öffentlichen Verkehrsmittel nicht, weil sie immer noch Angst hätten, auf der Fahrt an einem kaputten Fahrstuhl oder einer Stufe zu scheitern. Radziwill schlägt deshalb eine ständige Info-Hotline vor, bei der Betroffene sich aktuell über Zugangsmöglichkeiten informieren können. „Wir müssen den Menschen vor allem die Sicherheit geben, dass sie sich ohne Probleme im öffentlichen Nahverkehr bewegen können, sonst nutzen sie ihn nicht.“
Bei der BVG hält man eine Kooperation zwar prinzipiell für wünschenswert, gibt sich aber erstmal zurückhaltend. Einer vollständigen Integration des Telebuses in die BVG stehe man bislang eher skeptisch gegenüber. Man befürchte, schnell mit den Kosten allein gelassen zu werden, heißt es hier. Man hoffe deshalb auch, dass im kommenden Jahr ein Konzept erarbeitet werde, das genau diese Fragen regeln werde. SUSANNE AMANN