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Archiv-Artikel

ROBIN ALEXANDER über SCHICKSALE So ein billiges Flittchen!

Werbeplakate der Firma Hennes & Mauritz sind im Büro ganz schnell weg von der Wand. Auch mit Parole

Neulich schickte uns die Konkurrenz eine nackte Frau. Na ja, fast nackt. Aus einer Zeitung, die mit der werbetreibenden Wirtschaft bedauerlicherweise auf besserem Fuße steht als diese, purzelte ein aufklappbares Poster von H & M. Es zeigt Naomi Campbell in einem kurzen, roten Hemd.

Für Menschen, die sich sonst nicht mit Popkultur beschäftigen, sei kurz erklärt: Naomi Campbell ist die erste Schwarze, die es zum Topmodel gebracht hat. H & M steht für Hennes & Mauritz und ist eine schwedische Firma, die jungen Menschen billige Klamotten andreht. Ein Poster ist ein Hochglanzdruck, der an der Wand befestigt wird.

Unsere Wände im Büro schreien nach Postern. „Ich wurde zum letzten Mal gestrichen, als man dies noch tünchen nannte!“, schreien sie, und: „Bedecke meine Dreckflecken, bitte, bitte!“ Tatsächlich wird bei uns allerhand an der Wand befestigt. Meistens handelt es sich dabei allerdings um Sichtagitation der plumperen Art, die Aktivisten auf Besuch hinterlassen haben. Die meisten dieser Plakate zeichnen sich aus durch einen Hang zum Appell, zum Imperativ und zum Ausrufezeichen.

„Heraus zum 1. Mai!“ klingt für mich immer wie „Raus aus den Federn!“ Auch die viel gepriesenen jungkreativen Durchblicker von Attac müssen in diesem Zusammenhang leider gerügt werden: „Her mit dem schönen Leben!“ klingt sicher schmissig. Aber das schöne Leben und der Befehl, das sind zwei, die zueinander passen wie der Regenwald und die Holzindustrie.

Wir befestigten diesmal an den Wänden im Büro also kein Plakat mit Parolen und geballten Fäusten, die wahlweise gen Himmel gereckt sind oder Hakenkreuze zerschlagen. Sondern ein Poster, das Frau Campbell zeigt – mit nichts als ihrem kurzen Hemdchen, hohen Schühchen und rotem Lippenstiftchen. Und dem Schriftzug: „Hemdchen 12,90 Euro“.

Zugegeben: So etwas ist nicht jedermanns Sache. „Was für ein billiges Hemdchen!“, könnte man sich angesichts des Posters mit Fug und Recht empören. Oder auch: „Was für ein billiges Flittchen!“ So empören sich die Menschen aber nicht. Sondern so: „Das wird schnell beschmiert. Am besten schreibst du gleich selbst mit Edding drauf: Frauenfeindlich! Widerlich!“, prophezeite schon beim Befestigen eine junge Kollegin.

Was in den 70er Jahren-politisch sozialisierte Mitarbeiterinnen angeht, ist sie notorisch pessimistisch. Schon seltsam: Ein Flittchenposter soll frauenfeindlich sein. Ist dann ein Hemdchenposter auch qualitätshemdenfeindlich? Kränkt das kleine, kurze Ding die gestärkte und geplättete Edelbluse in ihrer bis zum Hals zugeknöpften Existenz? Wir haben uns dann entschieden, doch nicht „Frauenfeindlich! Widerlich!“ auf unser neues Poster zu schmieren, sondern lieber in ordentlichen Druckbuchstaben draufzuschreiben: „Globalisierungsphänomen“. Warum steht jetzt Globalisierungsphänomen neben dem kleinen, süßen, schwarzen Kopf? Weil Naomi Campbell – von wegen billiges Flittchen – fürs Posieren einen Betrag einstreicht, der selbst Fußballprofis blass werden ließe.

Die zwölfjährigen Näherinnen in Südostasien kriegen von den Lieferanten von H & M einen Lohn, die den gleichen Fußballprofi ganz schnell wieder rot werden ließe – vor Scham. Das modelbeworbene, hungerlohnproduzierte Zeug kauft dann nicht die Spielerfrau, die lässt sich Handtaschen von Gucci schenken, aber alle Europäerinnen, die keinen Fußballprofi abgekriegt haben. Denn auch sie wissen: Das schöne Leben ist ganz bestimmt nicht in Latzhose zu haben oder in T-Shirts von Trigema, dessen Chef mit Affen für rein deutsche Arbeitsplätze wirbt.

Eigentlich bemerkenswert, so ein Naomi-Campbell-Poster. Finden Sie nicht auch? Nach dem Wochenende war es allerdings fort. Kommentarlos entfernt. Abgehängt, aber durch ein Plakat aus den 20er-Jahren ersetzt. Das zeigt eine Skifahrerin, blond und bekleidet und dahinter die Alpen. Na ja. Besser als Dreckflecken.

Naomi Campbell oder Naomi Klein?kolumne@taz.de

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