: Schweden mit wirksamer Energieaufsicht
Die Regierung demonstriert, wie Staatskonzern Vattenfall ein Instrument der Klima- und Energiepolitik werden kann: Verbot neuer Kohlekraftwerke, Unternehmensgewinn soll Ausbau der regenerativen Stromproduktion sichern
STOCKHOLM taz ■ Schwedens staatlicher Stromkonzern Vattenfall bekommt ab kommendem Jahr neue Unternehmensdirektiven. Die Milliardengewinne, die Vattenfall vor allem in Deutschland als drittgrößter Marktteilnehmer macht, sollen das schwedische Stromsystem auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Sozusagen Deutschland als energiepolitischer Exportschlager: Derart soll der Atomausstieg möglich werden. Darauf einigten sich die sozialdemokratische Regierung und ihre beiden Zusammenarbeitspartner, die Grünen und die Linkspartei.
Verhandelt wird jetzt außerdem noch über Verschärfungen dieser Direktiven: ein Verbot für Vattenfall, neue Kraftwerke zu bauen oder zu kaufen, welche mit Kernkraft oder Kohle betrieben werden. Gleich in welchem Land diese stehen. Was vor allem geplante Investitionen des Konzerns in Polen treffen würde.
Eine Regierungsumbildung hatte vor Wochen die Verantwortung für Energiepolitik einerseits, für Staatsfirmen andererseits in die Hände von Thomas Östros gebracht. Sein Vorgänger auf dem Stuhl des Wirtschaftsministers war zufrieden, wenn die Gewinne sprudelten. Das reicht Östros nicht: Er will aus Vattenfall ein wirksames staatliches Instrument der Energiepolitik machen.
Der steht eine radikale Umstellung bevor. Zwei Jahrzehnte hat Schweden versäumt in erneuerbare Stromproduktion zu investieren. Jetzt ist man dabei, das nachholen. Vattenfall erzeugt in Schweden die Hälfte des verbrauchten Stroms – 75 Terawattstunden (TWh) jährlich. Jeweils etwa die Hälfte aus kommt aus Wasser- und Atomkraft, Windkraft schlägt bislang lediglich mit 0,05 TWh zu Buche.
Mit dem Bau eines fertig projektierten Windkraftparks im Öresund wird sich diese Produktion verfünffachen. In den nächsten zehn Jahren will man laut Vattenfall-Entwicklungschef Göran Dandanell versuchen, zu den derzeit führenden Windkraftländern Deutschland, Spanien, USA und Dänemark aufzuschließen. In Stockholm gilt vor allem Deutschland als Vorbild für den künftigen Kurs, den man – ein passendes Wahlergebnis vorausgesetzt – nach den Wahlen 2006 einzuschlagen gedenkt.
Dass Vattenfall die Atomenergie – von Ministerpräsident Persson als „Auslaufmodell“ bezeichnet – kürzlich in einem gemeinsamen Brief mit anderen Stromkonzernen, an EU-Kommission und Parlament gerichtet, als einen „Eckstein“ der künftigen europäischen Stromversorgung bezeichnete, weckte umgehend heftige Kritik. „Absolut unpassend und äußerst merkwürdig, dass Vattenfall sich so verhält“, kommentierte der Wirtschaftsstaatssekretär Sven-Eric Söder diesen Brief. Man habe dem Vattenfall-Vorstand klar gemacht, dass eine solche Botschaft im Widerspruch zur Politik der Regierung und der Parlamentsmehrheit stehe: Wiederholung verboten.
Sich selbst als „sauberer“ Energieriese preisend, war Vattenfall tatsächlich einer der schlimmsten Schmutzfinken Europas. Damit wird sich Schwedens Regierung abfinden müssen – trotz der jetzt eingeleiteten Wende. Auf der aktuellen Liste Europas „sauberster“ Stromproduzenten – ermittelt vom World Wide Fund For Nature (WWF) – rangiert Vattenfall auf dem 18. Platz. Dem drittletzten. „Schuld“ sind 39 Prozent Kohlestrom an der Gesamtproduktion. Ein „Skandal für die schwedische Energiepolitik“, urteilt WWF-Generalsekretär Lars Kristofersson.
REINHARD WOLFF
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