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Archiv-Artikel

Weltraum-Illusion für 18 Euro pro Nase

Seit zehn Jahren wird in Bremen am Entertainment-Projekt „Space Center“ gearbeitet. 500 Millionen Euro wurden investiert. Gestern öffneten sich erstmals die Türen fürs Publikum

„Wissenschaftler haben einen außerirdischen Code geknackt“

Aus Bremen Klaus Wolschner

„Geil“, sagt Necla, ein türkisches Mädchen aus der 5. Klasse in Gröpelingen – dem Bremer Stadtteil, in dem gestern das Space Center eröffnet wurde. Dutzende von SchülerInnen waren zur „soften Eröffnung“ des Raumfahrt-Parks als Ehrengäste eingeladen, weil sie sich an einem Schüler-Wettbewerb beteiligt hatten. Stundenlang konnten sie sich zum Nulltarif vergnügen.

Die Schulkinder tummelten sich bei dem, was die Veranstalter „Galaxie Express“ nennen, „dem weltweit ersten und einzigen Indoor-Roller Coaster für virtuelle Lichtgeschwindigkeit“. Die Schüler reden einfach von „Achterbahn“, fünf, sechs, sieben Mal fahren sie die Tour. Auch wenn es hier keine „Loopings“ gibt wie auf der echten Achterbahn, wie ein Mädchen erklärt. Ein anderes Mädchen beschwerte sich über das Gewicht des schweren Helmes, den man während der Fahrt herunterziehen muss, um sich daran festzuhalten und auf den darin integrierten Bildschirm zu schauen. Das Video während der Fahrt soll die „Lichtgeschwindigkeit“ zu dem ansonsten eher gemächlichen Achterbahn-Vergnügen hinzufügen: Per Bild-Illusion rast man wirklich durch den Weltraum und wenn es, während man von den schnellen Bildern ganz gefangen ist, unten in der Schräglage der Kurve wackelt, dann soll das echte Weltraum-Gefühl aufkommen. „Jede Kurve wird zur planetarischen Ausweichroute“, verspricht der Katalog. Aber von solchen Sätzen aus der Pressemappe werden die SchülerInnen verschont.

Ein Junge, der nicht mit seiner Klasse nach Hause gefahren ist – „ich darf hier noch stundenlang bleiben“ – führt uns zum „Planet Quest“, seiner Lieblings-Attraktion. Das sei „eine Reise in eine unbekannte Welt“, verspricht der Pressetext. „Wissenschaftler haben einen außerirdischen Code geknackt“. Auch das erschließt sich nicht, wenn man ohne Pressetext in die Fünf-Personen-Kabine steigt. Auf Schienen fährt die Kabine durch dunkle Gänge, dreht sich um die eigene Achse, an den Wänden erscheinen große Bildschirme. Da die Besucher von „Planet Quest“ eine 3D-Brille aufhaben, kommen die merkwürdigen Figuren aus der Leinwand hin und wieder verdammt nahe an einen ran. Eine Geisterbahn wird die Fahrt dennoch nicht, zu schön sind die bewegten bunten Bilder, der Schrecken der Geister fehlt.

Der große Vorteil am ersten Tag ist, dass so wenig BesucherInnen gekommen sind. Die erwachsenen Besucher flanierten durch die weiten Flure und hatten freien Blick auf die Phänomene der Ausstattung – Klangeffekte und Lichtprojektionen des riesig großen Innenraumes mit seinen verwirrenden Gängen sollen für eine „Cosmophere“ sorgen. Überall flimmern Bildschirme – teilweise so galaktisch schnell, dass das Auge die Bilder kaum fixieren kann.

„Die Attraktionen machen süchtig“, sagt der Erfinder der Idee des Space-Parks, der Kernphysiker Wolfgang Wilke. Die größte der angekündigten Attraktionen, der „Star Trek Borg Encounter, die ultimative Star Trek Erfahrung“, war beim „soft opening“ noch nicht betriebsbereit. Ebenso „Stargate 3000“, ein High-Tech-Simulator, in dem 35 Gäste „erleben, was passiert, wenn das Tor zu anderen Dimensionen geöffnet wird“.

Während die Kinder die IMAX-Vorführung einer Reise zur Raumstation eher „blöd“ fanden, hatten die erwachsenen Besucher oft hier ihr erstes richtiges „Aha“-Erlebnis. Der Text zu dem Film ist naive, banale NASA-Prosa, in der alles positiv ist und Abstürze des Space Shuttle einfach keinen Platz haben, weil alles eben positiv ist. Aber die Bilder sind dennoch beeindruckend, und mancher hatte hier sein erstes IMAX-Kinoerlebnis: Die Dreckteilchen in der Staubwolke beim Start der Ariane-Rakete fliegen bis direkt auf die Brille, und mit dieser 3D-Brille auf der Nase sitzt man praktisch mittendrin in der Raumstation.

Außerhalb des Space Center-Gebäudes hat die Maschinenbaufirma Huss eine ihrer „Shot‘n Shot“-Geräte aufgebaut: 65 Meter hoch werden die fest angeschnallten Menschen geschossen, das ist das Gefühl, das die Astronauten beim Start auch haben. Nur haben sie keinen freien Blick über die Dächer von Gröpelingen.