: Skandalmaschine auf Hochtouren
Im Dom ist nicht gut kopulieren: Zur Verhinderung von Johann Kresniks „Zehn Geboten“ schwingt sich Bremen zu ganz großem Theater auf
„Jetzt hat Gott seinen Dom zurück.“ Die Bremer Bild-Ausgabe verkündete gestern in dicken Lettern den Triumph der Rechtsgläubigkeit über die versuchte Entweihung der hiesigen Hauptkirche – und stellte Regisseur Johann Kresnik damit zugleich ein hervorragendes Arbeitszeugnis aus: Mit minimalem Probenaufwand hat er ein Theaterstück zur bundesweit beachteten Aufführung gebracht. Titel: „Die verhinderten Zehn Gebote“.
Das Setting: der Bremer Dom zu Adventszeit. Kaum haben seine Schauspieler auf einem in die Kirche geschleppten Opel Corsa scheinkopuliert, werden sie auch schon rausgeschmissen. Kresnik ist für seine schnelle Hand beim Arrangieren von Szenen bekannt, in Bremen hat er die Methode offenbar zur Perfektion gebracht. Gute Planung ist dabei alles.
Der erste Geniestreich: den gerade haftentlassenen Günter Kaufmann, der sich mit einem falschen Geständnis selbst zum Mörder gemacht hatte, bei „Du sollst kein falsch Zeugnis ablegen“ mitspielen zu lassen. Um die Skandalmaschine ordentlich anzuschmeißen, bedurfte es dann nur noch einer lapidaren Pressemitteilung des Theaters, der zu Folge nackte „Statistinnen über 60“ gesucht würden.
Nicht, dass sich jemand gemeldet hätte. Aber Bild fing den Ball mit Zeilen wie „Dieses Schock-Drehbuch besudelt unseren Dom“ routiniert auf, als Auftritts-Stichwort für das real existierende Statistenheer der anonymen Drohanrufer und Kirchenaustrittsankündiger.
Und das spielte mit. „Die Telefone stehen nicht mehr still“, berichtet Dompastorin Ingrid Witte, die sich zunehmend als tragische Gestalt im Hintergrund etablierte. Erst hatte sie, die vor 30 Jahren selbst Kresnik’sche Ballettschülerin war, tapfer die Nacktheit der ParadiesbewohnerInnen ins Feld geführt. Jetzt aber, nachdem nicht nur der Bremer Kirchenvorstand vor „dem letzten Tabubruch“ warnte, sondern auch die Landesbischöfin Margot Käßmann die Funktionalisierung von „nackten Frauen, Sex und Gewalt“ geißelte, musste sie öffentlich abschwören. Sich dem „Dikat der Straße beugen“, wie Theaterdramaturg Joachim Klement es nennt.
Derweil muss Kresnik über einen neuen Kniff nachdenken. Unweigerlich bietet ihm jetzt die Fortschrittsfraktion der Bremer Protestanten ihre Kirchen an. Was kann er denen bieten? Vermutlich wird er sie mit einem harmlosen Krippenspiel vor den Kopf stoßen. HENNING BLEYL