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Archiv-Artikel

Göttlicher Tropfen

Bei der dritten Bio-Glühwei(h)n-Nacht wurde die Alternative zu jenem Gesöff aufgetischt, das man in den Innenstädten als Glühwein verkauft

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Am Ende waren alle selig und liefen mit beschwingten Schritten nach Hause. Die paar Schoppen Bio-Glühwein, die sie vorher zur Brust genommen hatten, zirpten noch am Gaumen. Ein Hauch von Nelke, eine Ahnung Zimt, etwas Zitrone. Und freilich der süffige Rebensaft aus ökologischem Anbau, der allem zu Grunde lag und am Wochenende wieder von 16 Öko-Bauern in Nordrhein-Westfalen serviert wurde – anlässlich der dritten „Deutschen Bio-Glühwei(h)n-Nacht“.

Die beteiligten Bauernhöfe sind so genannte Demonstrationsbetriebe. Einst haben sie sich verpflichtet, vier Mal im Jahr die Hoftore aufzusperren und interessierten Verbrauchern den Öko-Landbau näher zu bringen. In diesem Rahmen ist aus der Bio-Glühwei(h)n-Nacht mittlerweile ein beliebter Brauch geworden. Denn der Öko-Punsch unterscheidet sich nicht nur aufgrund der naturverträglichen Anbauart des Weines, seiner grundlegenden Zutat. Auch geschmacklich lässt er das herkömmlich Gesöff, das einem heutzutage auf Weihnachtsmärkten eingeflößt wird, weit hinter sich. Kenner wissen, dass Öko-Glühwein lange nicht so schmal ist am Gaumen wie die Suppe, die man so in den Innenstädten auslöffeln darf.

Allein deshalb schon, weil die verschiedenen Hofbetreiber ihren Glühwein nach Gusto brauen. Zwar bekommen alle einen Rezeptvorschlag von der betreuenden Agentur M&P in Sankt Augustin zugeschickt und auch den selben Wein. Der eine Bauer aber gibt mehr Nelke hinzu, der andere weniger Zimt. Oder umgekehrt. So kann jeder Glühwein seinen unverwechselbaren Charakter entfalten. Auf manchen Höfen weiß man schon gar nicht mehr, was und wie viel drin war im Wein. Zum Beispiel in Bonn, auf dem Gut Ostler. Nur eines weiß man noch: „Unser Wein ist super angekommen!“

Apropos Wein: Öko-Wein ist immer noch eine kleine Rarität in Deutschland. Denn lediglich zwei Prozent der deutschen Weinberge werden nach den Öko-Richtlinien bestellt. Die jeweiligen Winzer verzichten also auf mineralischen Stickstoffdünger und verwenden stattdessen pflanzliche Produkte oder Mineralien wie Kali und Phosphor. Wer Bio-Glühwein trinkt, fördert folglich den biologischen Anbau von Wein – und hat keine Schadstoffe in der Tasse, was an sich schon einen ausreichenden Anreiz darstellen sollte, der herkömmlichen Brühe endgültig abzuschwören.

Übrigens muss Glühwein nicht zwingend rot sein. Lange schon erhitzt auch weißer Wein die Gemüter – gemischt mit Zitrone, Zucker oder Zimt. Dieses Gebräu nennt sich „Seehund“, und der bekanntere rote Wein nennt sich verrührt mit Zitrone und Zucker, Nelken oder Zimt auch „Admiral“. Erstmals aufgetischt wurde es der Überlieferung nach von den Norddeutschen, die nach einem Mittel gegen die steife Winterbrise suchten, die ihnen ständig entgegen schlug. Doch auch in alten Medizinwälzern wird das traditionelle Adventsgetränk schon gerühmt. Auch wenn der Glühwein „kein Artzeney“ sei, so sei er „aber doch woll bekömmlich“, attestierten die Quacksalber. Nahmen einen kräftigen Schluck und liefen selig durch die Gegend.