: Zur Sonderschule verurteilt
Immer wieder werden in Köln Migrantenkinder wegen mangelnder Deutschkenntnisse auf die Sonderschule geschickt, moniert „Öffentlichkeit gegen Gewalt“. Lehrer und Schulamt bestreiten dies
Von Jürgen Schön
„Nicht geeignet für die Grundschule“, meinte die Lehrerin und plädierte für die Versetzung der neunjährigen Türkin an eine Sonderschule für Lernbehinderte. Damit waren die Eltern nicht einverstanden und wandten sich an den Verein „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (ÖgG). „Bestimmt alle zwei Tage werden wir mit solchen Problemen konfrontiert“, sagt ÖgG-Mitarbeiterin Banu Bambal. Was sie besonders empört: „Immer wieder werden von den Lehrern fehlende Deutschkenntnisse als Begründung angeführt. Und das ist nicht erlaubt.“
Wolfgang Tonner, Geschäftsführer des Kölner Schulamts, bestreitet, dass Lehrer mit mangelnden Sprachkenntnissen argumentieren: „Das ist schließlich rechtlich nicht zulässig.“ Es gebe genügend Methoden, die Lernfähigkeit eines Kindes sprachneutral zu prüfen. Dies geschehe auch regelmäßig. Der zudem oft geäußerte Vorwurf, dass Lehrer Kinder in die Sonderschule „abschieben“, sei bekannt, „entbehrt aber jeder Grundlage“.
Bambal aber besteht auf ihrer Beobachtung und beklagt, dass das Schulamt mit dem Hinweis auf „laufende Verfahren“ keine Akteneinsicht gewähre, selbst wenn ÖgG eine Vollmacht der Eltern vorliege. Und die neutralen Tests seien eher „berühmt-berüchtigt“. Im Falle der Neunjährigen habe ÖgG das Mädchen von einem anderen Lehrer testen lassen. Ergebnis: Keine sonderpädagogische Betreuung erforderlich. Er sei sogar bereit, das Kind an seiner Schule aufzunehmen.
Dass Migrantenkinder zu den Verlierern des deutschen Bildungssystems gehören, ist durch die Pisa-Studien inzwischen anerkannte Tatsache. Dass sie gezielt an Sonderschulen überwiesen werden, lässt sich statistisch allerdings nicht belegen. Den hohen Anteil nicht-deutscher Kinder an ihren Schulen erklären Sonderschullehrer in Porz oder Mülheim eher als „Widerspiegelung des sozialen Umfelds“. Das zeichne sich durch einen – auf Köln bezogen – überproportional hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund aus. Verantwortlich dafür sei vor allem die Zuzugspolitik der Stadt, die die Gefahr der „Ghettobildung“ beinhalte. Für die Schüler fordern sie entsprechende sprachliche Fördermaßnahmen, vor allem für solche aus Ex-Jugoslawien.
Wolfgang Raabe, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Grundschulen zuständig, sind keine Fälle bekannt, in denen Lehrer ausländische Schüler diskriminiert haben sollen. Solche Vorwürfe müssten im Einzelfall genau geprüft werden. Doch der hohe Anteil von nicht-deutschen Schülern an Sonderschulen habe nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern mit „struktureller Ungerechtigkeit“ im deutschen Bildungssystem, wie es gerade die aktuelle Pisa-Studie wieder aufgezeigt habe.
Sein Kölner GEW-Kollege und Sonderschullehrer Hans-Josef Roels kann sich zwar einzelne Fälle vorstellen, in denen Schüler bisweilen „nach unten durchgereicht werden“. Doch auch er will das nicht auf bewusste Diskriminierung zurückführen, sondern auf tatsächliche Lernschwierigkeiten, die sich aus einem „eher bildungsfernen familiären Umfeld“ ergeben. „Leider wehren sich die betroffenen Eltern nur selten gegen solche Entscheidungen.“
Dabei lohnt sich das durchaus, weiß ÖgG-Mitarbeiterin Banu Bambul: „80 Prozent unserer Einsprüche haben Erfolg. Und alle Kinder, deren Rückstufung wir verhindert oder deren Versetzung an Haupt-, Realschule oder Gymnasium wir erreicht haben, sind dort erfolgreich.“