: Heute: „Die Nachteile der Nordsee“
Wer, wie, was? In der Fragestunde der Bürgerschaft kann man fast genauso viel lernen wie in der Sesamstraße
bremen taz ■ 190.000 Laster und Busse, 400.000 PKW, zwei Millionen Menschen: Sie alle könnten Jahr für Jahr von Bremerhaven aus nach Südnorwegen in See stechen – wenn es denn eine Fährverbindung gäbe. Das Problem: „Wir haben leider noch keine Reederei gefunden, die diese Linie betreiben möchte.“ Peter Gloystein, der neue Wirtschaftssenator der CDU, gibt ehrliche Auskünfte. Besonders natürlich, wenn ihn die Bürgerschaftsabgeordneten im Rahmen ihrer monatlichen Fragestunde löchern.
Das Schöne: Würde man eine Reederei finden, wäre alles Weitere offenbar kein Problem. Die Bremerhavener Columbuskaje würde für 10 Millionen Euro entsprechend ausgebaut – „woher?“ – „die stehen in irgendeinem unserer Investitionsprogramme“ (O-Ton Gloystein). Auch über die „Nachteile der Nordsee“ weiß der Häfensenator Bescheid: ein raueres Gefilde als die Ostsee, ergo höherer Schlingerfaktor, was leider wiederum Kiel als Fährstation begünstigt.
Nicht nur Geographisch-Spekulatives war gestern zu erfahren, auch hard facts konnten verkündet werden – der Wichtigste: Der Bund übernimmt ab sofort wieder 50 Prozent der staatlichen Auftragshilfen für den Schiffbau. Bremen als langjährige Sprecherin der norddeutschen Schiffbauländer hatte, seit sich der der Bund Mitte der 90er auf eine Drittelbeteiligung zurückzog, im Bundesrat mehrfach diesbezügliche Initiativen gestartet – jetzt der Erfolg. Als Zahl für 2004 bedeutet er: 47.000 Euro gespart, immerhin.
Szenenapplaus des Publikums? Leider nicht. Obwohl mit Schulausflüglern, Seniorinnengruppe und Freiwilliger Feuerwehr vollbesetzt, enthielten sich die Ränge spontaner Bekundungen – vielleicht war die Gesamtperformance doch zu durchwachsen. Vollmaschinelle Erfassung der Steuererklärungen wie’s die Bayern können (Frage der SPD)? In Bremen bislang Fehlanzeige. Ein vom Bildungsressort veröffentlichtes Qualitätsranking der Bremer Schulen (Frage der CDU)? Will Bildungssenator Willi Lemke (SPD) nicht. „Sicheres Einkaufen im Weihnachtsgetümmel (CDU)? Kann aus Zeitgründen nicht mehr thematisiert werden. Wenigstens genügend Spiegel gegen tote Winkel bei Lkws (SPD)? Hat Bausenator Jens Eckhoff (CDU) auch nicht in der Tasche. Weiter: Der Senat weiß nichts über konkrete Factory-Outlet-Center-Pläne für den Space-Park und kann über die Untersuchung nicht-schulischer öffentlicher Räume auf PCB-Belastung erst übernächstes Jahr entscheiden (Anfragen der Grünen).
Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) zog aus diesem Nichtwissen die einzig wahre Konsequenz. Statt einer Antwort verlas sie einfach die schon gestellte Frage nochmals – was sie als alte Routiniere freilich irgendwann doch selbst bemerkte.
Um so angebrachter die nachsichtig-pädagogische Begleitung des neuen Wirtschaftssenators durch Parlamentspräsident und Zeremonienmeister Christian Weber (SPD): „Herr Bürgermeister, Sie können sich jetzt wieder hinsetzen. Und es wär’ ganz gut, wenn Sie abschließend immer sagen würden: ‚Das war die Antwort des Senats‘.“ HB