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Archiv-Artikel

Flaneure wieder unbeobachtet

Gericht setzt privater Videoüberwachung in der Friedrichstraße Grenzen. Dussmann darf nur noch einen engen Streifen vor der eigenen Hauswand abfilmen. Anwalt spricht von Erfolg. Dussmann-Sprecher: No Problem, prüfen Berufung

Zwei Tage vor dem Weihnachtsfest wird ein Gerichtsurteil Peter Dussmann nicht das Geschäft, mit Sicherheit aber die Laune verhageln. Die Kameraüberwachung öffentlicher Bürgersteige und Straßen durch private Unternehmen – wie beim Kulturkaufhaus Dussmann – ist nach dem Spruch des Amtsgerichts Mitte „nur in engen Grenzen zulässig“. Danach darf das UnternehmenPassanten der Friedrichstraße weder von seinen Videokameras flächendeckend überwachen lassen noch diese Aufzeichnungen speichern. Erlaubt sei lediglich das Filmen „der Geschehnisse in einem schmalen Streifen entlang der Hauswand“, so die Richter.

Geklagt hatte ein Berliner Journalist gegen die fast hundert Meter reichende Videoüberwachung Dussmanns entlang der Friedrichstraße und für sein Empfinden, sich unbeobachtet in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Dussmann dagegen hatte die Kameras mit Sicherheitsanforderungen seiner Kunden begründet.

Das Urteil ist insofern von Bedeutung, als der öffentliche Bereich gerade der Friedrichstraße ohne klare gesetzliche Regelung überwacht wird. Jedes vierte Geschäft besitze eine Videoanlage, schätzt Leon Hempel, der für die Technische Universität im Rahmen der Studie „Urban Eye“ die Situation untersuchte. Hempel musste feststellen, dass in vielen Betrieben der Umgang mit der Überwachung oft beliebig ist und „die Gefahr des Missbrauchs steigt“.

Nils Leopold, Anwalt und Bundesgeschäftsführer der Humanistischen Union, wertete das Urteil darum als „gutes Zeichen“ gegen diesen Missbrauch allgemein. Es sei „bemerkenswert, dass sich ein Richter Dussmann entgegengestellt hat“, sagte er zur taz. Zum ersten Mal werde einem privaten Unternehmen gerichtlich untersagt, öffentlich zugängliche Räume nach Belieben optisch zu kontrollieren. Zugleich sprach Leopold von einem „erfolgreichen Ausgang des Verfahrens“, das für die privaten Filmer insgesamt Konsequenzen haben dürfte. Es lohne sich, das Recht auf unbeobachtetes Bewegen in der Öffentlichkeit vor Gericht einzufordern.

Abgeblitzt vor Gericht sei man jedoch mit dem Ansinnen, Überwachungen „generell zu unterlassen“. Leopold: „Mit der Forderung, die Anlagen abzuschrauben, sind wir gescheitert.“

Leopold wies darauf hin, im Verlauf des Prozesses sei schon erreicht worden, dass Dussmann Schilder zur Kennzeichnung der Kameras aufhängen musste und der Weitwinkel eingeschränkt wurde. Rückenwind erhielten die Kläger auch vom Datenschutzbeauftragten Berlins, Hansjürgen Garstka, der das Filmen nur bis auf einen Meter Bürgersteig, „und mehr nicht“, erlauben will.

Dussmann-Sprecher Thomas Kreiner sagte, man werde das schriftliche Urteil abwarten, dann gegebenenfalls eine Berufung prüfen. Es sei „kein Akt, Einschränkungen bei den Kameras im schmalen Bereich vorzunehmen“. Im Übrigen habe das Gericht die Auffassung der Dussmann-Gruppe bestätigt, nämlich „dass wir dem Schutzbedürfnis unserer Kunden weiter Rechnung tragen können.“ ROLF LAUTENSCHLÄGER