: Kochs Minister lässt Exterroristen Klein ziehen
Großzügigkeit zu Weihnachten: Schon vor Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe kommt Hans-Joachim Klein frei
FRANKFURT taz ■ Am gestrigen Montag, zwei Tage vor Heiligabend, ist Hans-Joachim Klein auf freien Fuß gesetzt worden. Dies bestätigte gestern der Sprecher des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) der taz. Klein saß zuletzt in der hessischen Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt ein, im Februar 2001 war er von der 21. Großen Strafkammer am Frankfurter Landgericht wegen dreifachen Mordes und Geiselnahme zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Klein arbeitete als Freigänger bei einem linken Verlag. Von dort aus schickte er gestern eine SMS mit nur drei Worten an einen Bekannten: „Ich bin frei!“
Dass der ehemalige Terrorist sogar sechs Monate vor der Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe aus der Haft entlassen wurde, hat er nicht zuletzt Kochs Justizminister Christean Wagner (CDU) zu verdanken, der mit seiner Unterschrift einen entsprechenden Antrag absegnen muss. Als Mitglied einer deutsch-palästinensischen Terrorgruppe unter dem Kommando des berüchtigten Topterroristen „Carlos“ war Klein 1975 am Überfall auf die Konferenz der erdölproduzierenden Länder (Opec) in Wien beteiligt. Bei der Aktion wurden ein österreichischer Polizist und zwei Leibwächter – ein Iraker und ein Libyer – getötet. Die Gruppe hatte 33 Geiseln genommen und war nach Algerien ausgeflogen worden.
Der danach untergetauchte Klein sagte sich schon 1977 „aus dem Untergrund“ vom Terrorismus los und schrieb ein Buch über dessen Strukturen in Europa und im Nahen Osten. Über Mittelsmänner warnte er die deutschen Behörden vor Anschlägen der Revolutionären Zellen (RZ). Der bis zu seiner Verhaftung 1998 unerkannt in Frankreich lebende Aussteiger wurde vom grünen Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit und anderen über Jahre hinweg materiell unterstützt.
Kleins vorzeitige Freilassung soll auch von Heinrich Gerke befürwortet worden sein, dem Vorsitzenden Richter der Strafkammer, die Klein 2001 verurteilte. Nach Informationen eines Bekannten von Klein kam Gerke in einem Gutachten zu dem Schluss, der längst Geläuterte sei schließlich schon lange resozialisiert.
Nichts zu erfahren war gestern über die Beweggründe von Koch, den Weg für die vorzeitige Freilassung von Klein frei zu machen. Fest steht allerdings, dass Klein vom absoluten Wahlsieg der CDU im Februar profitierte. Denn säße die FDP noch bei Koch im Boot, hätte Klein sicher noch weiter „brummen“ müssen. Deren Fraktionschef Jörn-Uwe Hahn versuchte in den letzten zwei Jahren hartnäckig, den Fall Klein zu nutzen, um den Grünen Cohn-Bendit wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor Gericht zu bringen. Das Europaparlament hob die Immunität des Parlamentariers allerdings nicht auf.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT