: Ver.di: Lidl ist Ausbeutung pur
Geiz ist geil und Billigeinkauf prima? Nicht für die Beschäftigten beim Discounter Lidl. Dessen Erfolg ist mit gnadenloser Ausbeutung und Druck auf die Belegschaft erkauft, so die Gewerkschaft Ver.di
BERLIN taz ■ Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di geht gegen den Lebensmitteldiscounter Lidl in die Offensive. In einem gestern vorgestellten „Schwarzbuch Lidl“ prangert sie die Arbeitsbedingungen in dem Konzern an, die von einem „Klima der Angst“ bestimmt sein sollen. Drastischer könnten die Vorwürfe kaum sein: Die Lidl-Beschäftigten seien „gnadenloser Ausbeutung“, „Kontrollen bis in die intimsten Bereiche“ und „brutaler Unterdrückung“ von Versuchen, Betriebsräte zu gründen, unterworfen, erklärte Ver.di-Vorstand Franziska Wiethold.
Die Schwarz-Gruppe, zu der die Lidl-Läden gehören, reagierte prompt. Parallel zur Vorstellung des Schwarzbuchs startete sie eine Imagekampagne und kündigte 1.600 neue Ausbildungsplätze an. Die aktuellen Vorwürfe wies ein Sprecher als „anonyme Diffamierungen“ zurück. Schon im Vorfeld hatte die Geschäftsleitung von einer „Kampagne“ gesprochen und angedeutet, bei den Beispielen könne es sich höchstens um Ausnahmen handeln, die auf persönliche Schwächen einzelner Filialleiter zurückzuführen seien.
Dem hielt Autor Andreas Hamann gestern entgegen, dass „bestimmte Berichte“ bei den rund 250 Gesprächen, die die Grundlage des Schwarzbuchs bildeten, „immer wiedergekehrt“ seien. Von Einzelfällen könne also keine Rede sein.
Die Recherchen hatten zwei Jahre gedauert. Und die nun veröffentlichten Geschichten zeichnen das Bild einer systematischen Verletzung von Arbeitnehmerrechten: Verkäuferinnen berichten von pausenlosem Einsatz unter Akkordbedingungen und von Kündigungen nach fingierten Testkäufen, bei denen Lidl-Kontrolleure versuchten, Waren an der Kasse vorbeizumogeln. In etlichen Filialen sollen versteckte Kameras installiert worden sein, die nur den Zweck hatten, die Angestellten zu überwachen. Beschäftigte, die Betriebsräte gründen wollten oder anderweitig missliebig aufgefallen waren, sollen entweder sofort entlassen oder zu Aufhebungsverträgen oder Selbstkündigungen gezwungen worden sein.
Ursprünglich hatte die Gewerkschaft vor allem die verschachtelte Unternehmensstruktur der Schwarz-Gruppe klären wollen, die aus hunderten von kleinen GmbH & Co KGs besteht. Diese Struktur erschwert es nicht nur der Konkurrenz, die Kalkulationen des Konzerns zu durchschauen, sie macht es auch unmöglich, einen Konzern- oder Gesamtbetriebsrat zu gründen.
BEATE WILLMS
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