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Archiv-Artikel

Gericht beugt sich Berlusconi

Italiens Ministerpräsident wird vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Vorwürfe seien verjährt, urteilt das Mailänder Gericht. Staatsanwälte hatten 8 Jahre Haft für Berlusconi gefordert

ROM taz ■ Auch den letzten noch gegen ihn anhängigen Prozess hat Silvio Berlusconi überstanden: Gestern verkündete das Gericht in Mailand den Freispruch von dem Vorwurf der Bestechung. In einem Anklagepunkt allerdings erging der Freispruch nur, weil die Straftat nach Auffassung der Kammer verjährt war.

In dem vor mehr als vier Jahren eröffneten Prozess ging es um Vorwürfe gegen Silvio Berlusconi, die seit 1996 auf dem Tisch liegen. Gestützt auf die Aussagen einer Zeugin – der ehemaligen Geliebten eines Berlusconi-Anwalts – ebenso wie auf umfangreiche Bankakten behauptete die Staatsanwaltschaft, der heutige Regierungschef habe an der Wende der 80er- zu den 90er-Jahren systematisch Richter in Rom bestochen. Berlusconi sei es dabei um die Förderung seiner eigenen Unternehmen ebenso gegangen wie um die Schädigung ihm feindlich gesinnter Unternehmer. So habe er mit seinen Zahlungen ein Zivilverfahren beeinflusst, in dem es um die Übernahme der staatlichen Lebensmittelholding SME durch Carlo De Benedetti gegangen sei. Nicht zuletzt dank der Berlusconi-Gelder an die Richter habe De Benedetti seinerzeit schließlich eine Prozessniederlage erlitten. Die Staatsanwälte wollten Berlusconi deshalb zu 8 Jahren Haft verurteilt sehen.

Berlusconi dagegen verteidigte sich mit der Behauptung, bei dem Verfahren in Mailand handele es sich um einen auf „reinen Mutmaßungen“ beruhenden politischen Prozess. Die von den Staatsanwälten nachgewiesenen Geldflüsse über Schweizer Konten seien „reguläre Zahlungen von Rechtsanwaltshonoraren“ gewesen. Das Gericht in Mailand verwarf nun den Anklagepunkt zur Übernahmeschlacht um die SME. Zugleich aber sah die Kammer offenbar den Beweis gegeben, dass Berlusconi illegale Zahlungen an Richter vorgenommen hat, um sie auf die Interessen seines Konzerns Fininvest einzuschwören.

Zwar wird die Urteilsbegründung erst in einigen Wochen vorliegen, doch der Freispruch wegen Verjährung in diesem Anklagepunkt lässt kaum Interpretationsspielraum. Berlusconi kommt dabei zugute, dass das Gericht ihm gestern mildernde Umstände zubilligte – eine Entscheidung, die allgemein erwartet wurde. Denn der Vorsitzende Richter Francesco Castellani hatte Berlusconi schon in einem früheren Verfahren auf gleiche Weise einen Schuldspruch erspart. Berlusconi, so Castellani, führe als Regierungschef einen rechtschaffenen Lebenswandel und schon deshalb müssten ihm mildernde Umstände zuerkannt werden. Die Folge im italienischen Strafrecht: Die Verjährungsfrist halbiert sich.

MICHAEL BRAUN

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