Bauern sollen Aktien verkaufen

Opposition kritisiert die Zusammenlegung der Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen. NRW-Landwirtschaftsministerium kontert: „Kammern müssen Speck abgeben“

VON MARTIN TEIGELER

Bei der Zusammenlegung der Landwirtschaftskammern Westfalen und Rheinland soll es nicht zu Entlassungen kommen. „Betriebsbedingte Kündigungen sollten vermieden werden“, sagt Thomas Griese, Staatssekretär im NRW-Landwirtschaftsministerium. Von den rund 2.700 Stellen bei der neuen Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen müssen rund 400 in den nächsten drei Jahren wegfallen. Dies soll sozialverträglich geschehen. Die Vorgabe des Ministeriums an die Kammer, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, sei durch den Verkauf des Tafelsilbers erfüllbar. „Die Kammern müssen ihren Speck abgeben und angehäuftes Vermögen verkaufen“, fordert Griese.

Die bisherigen Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen haben in ihrer 100-jährigen Geschichte zahlreiche Besitztümer angehäuft. So halten die Selbstverwaltungskörperschaften der Land- und Forstwirtschaft Anteile an Verlagen, verfügen über Immobilienbesitz und besitzen Aktien des Energieunternehmens RWE. Diese Pfründe sollen jetzt teilweise veräußert werden. Nach taz-Informationen sind die Kammern nach anfänglichem Zögern dazu bereit. „Wir werden Immobilien verkaufen“, ist aus der Landwirtschaftskammer Rheinland mit Sitz in Bonn zu hören.

Der Landtag hatte in der vergangenen Woche mit den Stimmen von SPD und Grünen die Fusion der Landwirtschaftskammern Rheinland und Westfalen-Lippe beschlossen. Die neue Landwirtschaftskammer NRW wird ihre Arbeit am 1. Januar 2004 aufnehmen. Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn (Grüne) sagte bei der Verabschiedung des Gesetzes, die Zusammenlegung sei aus Kostengründen unvermeidlich. Der allgemeine Sparzwang und die schwindende Zahl von bäuerlichen Betrieben machten eine schlankere Agrarverwaltung erforderlich.

Die Oppositionsfraktionen CDU und FDP lehnten das Gesetz ab. Sie sind für die Fusion der Kammern, aber gegen die Bildung einer staatlichen Forstverwaltung. Ministerin Höhn will einen neuen Landesbetrieb Forst gründen, der sich um die Verwaltung und Pflege des landeseigenen Waldbesitzes kümmern soll. Bisher legten die Bauern eigenverantwortlich Hand ans Holz. Ab 1. Januar 2005 müssen die Landwirte ihre Äxte einpacken. Diese Entscheidung diene nur dem „Machtanspruch“ der Umweltministerin, sagte Eckhard Uhlenberg, agrarpolitischer Sprecher der CDU. Höhn könne so ihr Ministerium wesentlich verbreitern.

Von Stellenstreichungen sind auch die Ausbildungsstätten der Kammern bedroht. Angeblich soll die Hälfte der 25 Bildungseinrichtungen geschlossen werden. Unter anderem steht das Bieneninstitut in Münster vor einer ungewissen Zukunft. „Wir haben noch keine Klarheit, wie es weiter geht“, sagt Werner Mühlen, Referent für Bienenkunde. Derzeit arbeiten am Münsteraner Bieneninstitut vier Wissenschaftler und vier Auszubildende, die den Beruf des Imkergehilfen erlernen. Sie arbeiten an der Untersuchung von Honig und anderen Proben und entwickeln neue Methoden zur Bestäubung von Nutzpflanzen. Am 7. Januar wird die neue Landwirtschaftskammer NRW bei ihrer ersten Versammlung in Recklinghausen auch über die Zukunft der Imker aus Münster entscheiden.

Staatssekretär Thomas Griese fordert die Kammer auf, nicht beim beruflichen Nachwuchs in der Land- und Forstwirtschaft zu sparen: „Die Forschungs- und Ausbildungsarbeit der Kammern soll in ihrer Vielfalt und in der Fläche erhalten bleiben.“ Das Sparkonzept kann ohnehin nur mit Zustimmung des NRW-Landwirtschaftministeriums in Kraft treten. Nach Auskunft des Ministeriums wird Bärbel Höhn an der Gründungsversammlung der neuen Kammer teilnehmen – und wahrscheinlich eifrig mitdiskutieren.