Stadt Herne will Flüchtlingsfamilie auseinander reißen

Die Stadt Herne wollte am vergangenen Donnerstag den 21-jährigen Met in den Kosovo abschieben. Der geduldete Flüchtling musste das Flugzeug nicht besteigen, weil der Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags sich mit seinem Fall befasst. Im nächsten Jahr geht das Bangen weiter

HERNE taz ■ Met Iberdemaj aus Herne hat Glück gehabt: Das Flugzeug, das den 21-Jährigen gegen seinen Willen in den Kosovo befördern sollte, ist am Donnerstag ohne ihn gestartet. Nur weil der Petitionsausschuss des Landtags sich mit seinem Fall noch nicht beschäftigen konnte, wurde seine Abschiebung erst einmal verschoben.

Vor zehn Tagen stand plötzlich die Ausländerbehörde vor seiner Tür und führte ihn ab. „Ich habe noch nicht einmal einen Bescheid bekommen“, sagt Met zur taz. Dass er sich von den Beamten überrumpelt fühlte, ist kein Wunder: Sowohl die Härtefallkommission NRW als auch der Petitionsausschuss des Landtags beschäftigen sich noch mit seinem Fall. Die drei Stunden, die Met dann in Haft verbrachte, kamen ihm vor „wie drei Jahre“. Sein Richter entschied dann, dass Met eine Woche bis zu seiner Abschiebung bei seiner Familie bleiben dürfe. Denn diese war 1994 nach Deutschland geflohen, die Stadt kann sie aus unterschiedlichen Gründen nicht ausweisen: Der Vater ist anerkannter Flüchtling, die Mutter schwer krank und sein Bruder ist mit einer Deutschen verheiratet.

Dass Met heute in seinem warmen Bett und nicht alleine bei Minustemperaturen in einem Zelt in Pristina nächtigt, hat er auch dem Engagement seiner KollegInnen aus dem Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa) zu verdanken. Als sie von der bevorstehenden Abschiebung ihres Freundes erfuhren, wollten sie ihren „Chef“, den frisch gewählten Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD) zur Rede stellen. „Met ist perfekt integriert, spricht fließend Deutsch, warum lassen Sie ihn nicht hier bleiben?“, sollte er ihnen erklären. Da Schiereck den Nachwuchsparlamentariern erst einen Tag nach der geplanten Abschiebung einen Termin geben wollte, beschlossen die Jugendlichen, dessen Büro zu belagern. „Anders wären wir an ihn nicht rangekommen“, sagt der 18-jährige Nils Janßen. Der OB habe sich über das Verhalten der Jugendlichen echauffiert und ihnen erklärt, dass für Met alle Möglichkeiten ausgeschöpft seien.

Die Jungparlamentarier, die das nicht glauben konnten, wandten sich an den Herner Landtagsabgeordneten Frank Schierau (SPD), der zumindest erreichen konnte, dass die Herner Ausländerbehörde den Fall bis zu einer Befassung des Petitionsausschusses ruhen lässt. Und er ist sich sicher, dass Met so eine Chance hat, seinen Aufenthalt weiter zu verlängern. „Wenn der Petitionsausschuss zusammen mit dem Landesinnenministerium empfiehlt, den Jungen nicht abzuschieben, wird die Herner Ausländerbehörde sich davon beeinflussen lassen“, so Schierau.

Doch eine Einsichtsfähigkeit der Stadt, die sich sonst gerne als „migrantenfreundlich“ präsentiert, ist bis jetzt nicht zu erkennen: „Nur weil der Junge Mitglied im Kinder- und Jugendparlament ist, können wir ihn nicht bevorzugen“, bleibt Stadtsprecherin Jutta Daniel hart. Er handele sich um einen Ausweisungsfall wie viele andere. Außerdem habe Met beim letzten Ausweisungsversuch versprochen, er würde nach seiner Ausbildung „freiwillig ausreisen“. Die Fachoberschulereife hatte Met gerade erreicht, als nächstes strebt er das Abitur an.

Jede Ausländerbehörde hat in Ausweisungsfällen einen gewissen Spielraum, sagt Andrea Genten, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Nordrhein-Westfalen. Sie habe festgestellt, dass zurzeit besonders viele Familien durch Abschiebung auseinander gerissen würden. „Ich habe den Eindruck, die Behörden versuchen noch in diesem Jahr so viele dieser Fälle wie möglich loszuwerden.“ Denn die Ausweitung der Rechte der Härtefallkommission im neuen Zuwanderungsgesetz wird es im nächsten Jahr schwieriger machen, Flüchtlingsfamilien voneinander zu trennen.

NATALIE WIESMANN