ice nach hh : Die Bahn ist und bleibt praktisch
„Theoretisch“ lautet das Unwort des Wochenendes. Warum? Weil es mal wieder um die Bahn geht und so … Theoretisch kommt sie pünktlich, ja theoretisch hauen auch die Anschlüsse hin. Theoretisch ist sie eine Alternative zum Auto und theoretisch sogar zum Flugzeug. Theoretisch war Hamburg gestern sogar ein „Vorort von Berlin“, wie Bahnboss Mehdorn zur Eröffnung der neuen 90-Minuten-ICE-Strecke Berlin–Hamburg frohlockte. Und theoretisch fährt man dorthin jetzt sogar ein paar Sekunden schneller als der „Fliegende Holländer“ von 1930. Wahnsinn. Oder?
KOMMENTAR VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Da standen sie also gestern alle, die Mehdorns, Wowereits, von Beusts, Austs und Cos. und wollten den ICE, den ultimativen Superzug zwischen Spree und Elbe, hochleben lassen. Mit Zielfahne, mit Bierfahne und Spreefahne. Großer Bahnhof nach der Jungfernfahrt sozusagen, nach vier Jahren Bauzeit und nach 229 Kilometern pro Stunde auf Teilen der Trasse. Jetzt geht’s los, jetzt gehn wir in Hamburg shoppen, in Berlin jobben und so weiter.
Vieles ist jetzt Geschichte: „Ich erinnere mich noch an den Interzonenverkehr. Das war eine furchtbare Zeit. Es dauerte ewig, und es gab nur lauwarme Würstchen“, sagte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), als der Zug tief geneigt durch lange Kurven und schnurgerade vorbei an Wäldern und Feldern quer durch Mecklenburg-Vorpommern steuerte.
Nur der DDR-Zug blieb nicht stehen, der durfte nicht mal stehen bleiben. Der fuhr: pünktlich, täglich, ohne Halt. Lassen wir die Nachrichtenagentur AP sprechen: „Eine empfindliche Panne hat am Sonntag die Feier der Bahn zur Inbetriebnahme ihrer neuen Schnellverbindung Hamburg–Berlin getrübt: Ein regulärer ICE Richtung Berlin blieb wegen eines Stromversorgungsschadens 70 Minuten auf der Strecke stehen. Die Fahrgäste mussten den Zug verlassen.“ Theoretisch war der ICE schneller. Die Bahn bleibt praktisch.