: Minister wirft Steine aus dem Glashaus
Mit seiner Biografie verärgert der britische Innenminister David Blunkett, selbst in der Kritik, seine Kabinettskollegen
Seine Kollegen werden ihm keine Träne nachweinen, falls er zurücktreten muss. Der britische Innenminister David Blunkett, selbst in Schwierigkeiten, weil er dem Kindermädchen seiner Geliebten ein Visum besorgt haben soll, hat einen schlechten Zeitpunkt für die Veröffentlichung seiner Biografie gewählt. In dem Buch, das der Journalist Stephen Pollard schrieb, beleidigt er die Kabinettsmitglieder reihenweise, obwohl er auf ihre Unterstützung angewiesen ist.
Außenminister Jack Straw sei hysterisch, Bildungsminister Charles Clarke sei unfähig und Schatzkanzler Gordon Brown sei ein Wichtigtuer, heißt es im Buch. Seine Kabinettskolleginnen kommen nicht besser weg: Tessa Jowell sei schwach, Patricia Hewitt könne nicht strategisch denken. Seit Auszüge bekannt wurden, hat Blunkett gut zu tun, sich bei den Opfern seines Spotts zu entschuldigen. Premier Tony Blair hatte angeordnet, von Racheakten gegen den Minister abzusehen. Doch nun platzte vielen Hinterbänklern der Kragen. Peter Kilfoyle sagte, Blunkett habe den Tories ein ganzes Arsenal Munition für den Wahlkampf geliefert. Straws Mitarbeiter, er sei „weiß vor Wut“ gewesen, und wies Blunketts Entschuldigung zurück. Ein Regierungsbeamter meinte: „Es gibt niemand, der besser als David Blunkett weiß, was für ein Idiot er ist.“
Noch steht Blair hinter ihm, vorige Woche trat er demonstrativ mit ihm in Sheffield auf, wo Blunkett 1987 erstmals ins Unterhaus gewählt wurde. Dort war er vor 57 Jahren geboren worden, hatte die Schule besucht, an der Uni studiert und war danach sieben Jahre Stadtratsvorsitzender.
Nach Labours Wahlsieg 1997 ernannte Blair ihn zum Bildungsminister, vier Jahre später folgte er Straw als Innenminister. Blunkett, von Geburt an blind, ist der erste Blinde, der es ins Kabinett geschafft hat. Sein Blindenhund Lucy übergab sich 1999 im Unterhaus während der Rede eines Tory-Abgeordneten. Blunkett schwor, dass er ihr den Trick nicht beigebracht habe.
Blunketts Ehe, aus der er zwei Söhne hat, ist seit 1990 geschieden. Seinen Ehering trägt er noch, damit keiner denkt, er sei zu haben: „Ich bin nicht frei, weil ich einen Job zu tun habe.“ Ganz so frei war er aber nicht: Er hatte eine dreijährige Affäre mit der verheirateten Herausgeberin des Spectator, Kimberly Quinn. Blunkett streitet derzeit vor Gericht um das Besuchsrecht für Quinns zweijährigen Sohn, dessen Vater er zu sein glaubt. Für die philippinische Nanny des Jungen soll Blunkett ein Visum besorgt haben. Deshalb musste er eine Untersuchung in eigener Sache einleiten.
In anderen Fällen ist Blunkett bei Einwanderern weniger großzügig. Den Migranten aus Afghanistan und Kosovo erklärte er, sie sollten gefälligst nach Hause fahren und ihr Land aufbauen. Um Einwanderung besser zu kontrollieren, sollen 2006 Personalausweise mit biometrischen Daten eingeführt werden. Es ist nicht nur Blunketts Lieblingsprojekt, sondern auch Blairs. Deshalb steht der Premier noch hinter ihm. RALF SOTSCHECK