Bagatell-Streichungen
: Bußgeld statt Bußgang

Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) nutzt die weihnachtliche Ruhe für begrüßenswerte Ideen: Sie fordert eine Streichung der Bagatelldelikte aus dem Strafgesetzbuch. Der Hintergrund: Die Berliner Knäste platzen schon längst aus allen Nähten. Die Zahl der Gefangenen in der Hauptstadt steigt stetig an. Und die Zustände in den teilweise unsanierten Anstalten Moabit und Tegel sind sowohl für die Inhaftierten wie auch für das Vollzugspersonal zusehends unerträglich und auch gefährlich. Aus dieser Platznot speist sich wohl nun der Vorstoß Schuberts. Hoffentlich aber auch aus der Erkenntnis, dass, ganz platt gesagt, drastische Strafen bei kleinsten Vergehen noch keine Gesellschaft besser gemacht haben. Bußgelder statt Bau lautet die Forderung, Recht hat sie. Schließlich ist kaum noch nachzuvollziehen, warum ein dreimaliger Schwarzfahrer, der seine Geldstrafe nicht bezahlt, ins Gefängnis soll.

KOMMENTAR von ADRIENNE WOLTERSDORF

Schon jetzt ist Berlin das Bundesland, in dem die meisten Hafttage durch gemeinnützige Arbeit getilgt werden. Selbst in den USA gibt es bereits einzelne Gemeinden, die selbst für mittelschwere Straftaten „Schwitzen statt Sitzen“ verordnen. Die Knäste bleiben somit entlastet, und der Delinquent bleibt seinem sozialen Umfeld verbunden – und muss später nicht mühsam resozialisiert werden. Nun geht Schuberts Vorschlag nicht so weit, aber die Streichung von Bagatelldelikten aus dem Strafgesetzbuch ist ein Schritt in die richtige Richtung. Schließlich kann das klamme Berlin in Zukunft ein paar gemeinnützige Jobber gut gebrauchen – zu tun gibt es in Krankenhausküchen, Parkanlagen und Wärmeküchen genug. Die Entschlackung des Bestrafungsapparats ist wünschenswert, schließlich geraten Richter und Staatsanwälte mit lauter werdenden Rufen nach härteren Strafen unter Druck. Wenn der Schwarzfahrer oder die Zechprellerin jedoch gar nicht mehr in die Kategorie „Strafgesetz“ fallen, schärft sich wieder der Sinn für die Verhältnismäßigkeiten.

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