: Pippi im Bunker-Land
Neue Schaubühne: das Theater 62 Bremen wird im April 2005 an der Lessingstraße 12 eine eigene Kammerspielstätte beziehen
Bremen taz ■ Als neue Brutstätte besessener Kulturproduktion konnte gestern der ehemalige Luftschutzbunker an der Lessingstraße 12 entdeckt werden. Sieben Zwerge mit echten Karnevalsbärten hämmerten, spateten und spitzhackten unter Anleitung eines Kindes im Schneewittchen-Design und mit musikalischer Anfeuerung Bremer Stadtmusikanten-Darsteller ein erstes Löchlein in den Betonboden – für einen später zu installierenden Souffleurkasten. Eifrige Handswerkleut’ hatten schon vorgearbeitet und sich für eine ordentliche Belüftung durch die zwei Meter dicken Wände gefräst. Denn ab 16. April 2005 wird die Kulturmeile der östlichen Bremer Vorstadt bis zum Lessingbunker verlängert. Dann eröffnet dort das nicht subventionierte Kindertheater 62 Bremen seine Kammerspielbühne mit 62 Zuschauerplätzen.
Nach der Schwankhalle ist dieses der zweite neue Theatersaal, den die Stiftung Wohnliche Stadt den BremerInnen spendiert. Bereits 1991 hatte sie das Gebäude für 15.000 Euro erworben. Vor einem Jahr war es als Lagerraum dem „Freizeit-, nicht Amateurtheater“, so Spielleiter Michael Wenz, geschenkt worden.
Jetzt investiert die Stiftung 196.000 Euro in den Umbau, der Beirat Östliche Vorstadt legt 4.000 Euro drauf. Mit 80.000 Euro aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, gesparten Zuschauereinnahmen und Eigenmitteln stattet das Theater 62 die 160 Quadratmeter auf drei Etagen aus: Scheinwerfer, zwei kleine Drehbühnen, Nebelmaschinen, Küchenzeile, Pinkelbecken, Garderobenhaken, Büro-Utensilien. Nur das Notwendige. „Fenster bauen wir nicht ein“, sagt Wenz, „so sparen wir die Lärmdämmung und Abdunkelung.“
Nach Aussagen des Spielleiters besteht das Ensemble derzeit aus 70 festen freien Mitarbeitern zwischen sechs und 75 Jahren. Vor 125.000 Zuschauern werde man 2004 über 120 Vorstellungen gespielt haben. Davon nur 60 Prozent in Bremen – und zwar im Werkraum der Schule an der Lessingstraße. Dort arbeitet Karin Wenz als Lehrerin und unterstützt so die „hauptberuflich ehrenamtliche“ Theaterbesessenheit ihres Gatten – sowie die selbst finanzierten Gastspielreisen, die das Theater jährlich drei Mal nach Mittel- und Osteuropa unternimmt. An der neuen Spielstätte wolle man jährlich 100 Vorstellungen an vier Tagen pro Woche geben, sagt Wenz. Und der Kindertheaterspielplan werde um Abendangebote für Erwachsene erweitert.
Zu erwarten ist Farcenhaftes von Feydeau, eine Rotkäppchen-Revue, Ernsthaftes in Niederdeutsch und auch Günter Grass’ 1958er Werk „Onkel, Onkel“ zum Thema politischer Verbrechen. Außerdem setzt man auf Gastspiele norddeutscher Amateurbühnen – wie den Bremer Brodelpott und den Osterholz-Scharmbecker Speeldeel e.V.
Das Besondere des Theater 62? Wenz: „Wir spielen auch für Vorschulkinder, Kinderrollen werden immer von Kindern gespielt, und wir finanzieren alles selbst.“ Wer kann davon leben? „Keiner“, so der Spielleiter. Nie gehe Geld an die Akteure, immer in die Ausstattung. „Allein die Pippi Langstrumpf-Perücke kostet 700 Euro.“ 450 Kostüme für 22 Inszenierungen habe man im Fundus. fis