berliner szenen Bei Nouvelle Vague

Sexy Punk erst ab 18

Sie sind der Überraschungshit des Jahres. Für Nouvelle Vague haben zwei alternde Produzenten Punkrock- und New-Wave-Klassiker in watteweiche Bossa-Nova-Nummern transformiert, die von ein paar Frauen absolut aggressionslos neu eingesungen wurden. Aus der Prollpunkhymne „Too Drunk Too Fuck“ der Dead Kennedys wird so eine federleichte Mitwipp-Nummer.

Nouvelle Vague scheinen mit ihren ironisch gebrochenen Coverversionen, die die Originale dennoch ernst nehmen, einen Nerv getroffen zu haben, das Konzert in der Kalkscheune ist schon seit Tagen ausverkauft, vielleicht auch, weil viel davon gemunkelt wurde, dass sich bei Nouvelle-Vague-Konzerten kuriose Dinge ereignen würden. Die lasziven Sängerinnen würden sich gegenseitig mit Bier bespritzen, hieß es, und Minderjährigen würde der Zutritt verweigert.

Tatsächlich waren die vorderen Reihen komplett von Männern im Familienvater-Alter dominiert, die The Clash noch live mitbekommen haben könnten. Enttäuscht wurden sie nicht. Marc Collin und Olivier Libaux, die Initiatoren des Projekts, zupften im Hintergrund akustische Gitarren und fummelten an den Geräten herum. Die Bühne gehörte ganz den beiden Sängerinnen: Sie räkelten sich, posierten pausenlos, tanzten sich gegenseitig an und ließen die Bühne in schummriges Rotlicht tauchen. So verwandelten sie das komplett unsexy daherkommende Punkrock-Genre ins Gegenteil. Dass dieses Ereignis für Unter-18-Jährige angeblich nicht zuzumuten war, lässt sich allerdings nur dadurch erklären, dass die Männer von Nouvelle Vague nicht wollten, dass junge Menschen den Glauben daran verlieren, dass Punk ursprünglich etwas mit Hass und Revolte zu tun gehabt hat. ANDREAS HARTMANN