: Schnelle Bewegungen ohne Ellenbogen
Die meisten deutschen Skilangläufer können mit dem klassischen Sprint wenig anfangen. Nur Manuela Henkel und Weltcup-Spitzenreiter Axel Teichmann schätzen diesen Wettbewerb, der heute und morgen in Asiago ausgetragen wird
MÜNCHEN taz ■ Ein Sprint-Wettkampf in der klassischen Technik? Bäh! Igitt!! Damit braucht man dem Ski-Langläufer Tobias Angerer gar nicht zu kommen. „Nichts für mich“, sagt der 27-Jährige aus Traunstein, „da tut sich nix, da kann ich meine Kräfte sparen.“ Was er auch tut heute und morgen, wenn diese Disziplin im italienischen Ort Asiago erstmals in dieser Weltcup-Saison ausgetragen wird, erst als Einzel-, dann als Teamwettbewerb. Da pausiert Angerer lieber, für ihn zählt im Sprint nur der Skating-Stil mit Spurwechseln und Positionskämpfen und ausgebreiteten Ellenbogen: „Da rührt sich was, da ist Action, da ist Körperkontakt.“
Mit dieser Meinung ist er nicht allein im Team des Deutschen Skiverbandes (DSV). Claudia Künzel aus Oberwiesenthal, die derzeit beste Frau des DSV, sagt: „Ich kann eigentlich alles – außer Klassik-Sprint.“ Weshalb auch sie nicht in Asiago startet, ebenso wie Evi Sachenbacher aus Reit im Winkl, beides ausgewiesene Fachkräfte, wenn in der Skating-Technik gesprintet wird – Olympia-Zweite die eine (Sachenbacher), WM-Zweite die andere (Künzel).
Immerhin geht Axel Teichmann aus Lobenstein heute in die 1,2 Kilometer lange Loipe, für den Führenden in der Gesamtwertung geht es um Weltcup-Punkte, aber nicht nur darum: „Ich bin einer der wenigen Deutschen, die beim Klassik-Sprint schon einstellige Platzierungen geschafft haben“, sagt er, „und ich rechne mir auch in Asiago etwas aus.“ Der 25-Jährige hat drei der vier Distanzrennen in dieser Saison gewonnen, am Wochenende in Val di Fiemme die Doppel-Verfolgung, und führte am Sonntag auch die Staffel in ein spannendes Finish, wo es dann allerdings nur zu Rang fünf reichte. „Der WM-Titel mit der Staffel wäre die absolute Krönung. Dem ordne ich alles unter“, blickt Teichmann auf die Titelkämpfe in Oberstdorf im Februar voraus.
Der Oberhofer ist jedoch auch einer der wenigen, die dem klassischen Sprint durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, der Distanz-Spezialist schließt dort nicht einmal einen Start bei den Weltmeisterschaften aus, wo nur die klassische Sprint-Variante auf dem Programm steht. Insofern ist sein Start in Asiago auch eine Probe auf seine Weltmeisterschaftstauglichkeit in dieser Übung. „Ich zwinge mich nicht auf“, sagt Teichmann, „wir wissen ja jetzt auch noch nicht, welche Strecken wir bei der WM laufen. Das kommt auf die aktuelle Form an, und das entscheidet der Bundestrainer kurz vorher.“
Eine große Auswahl hat der Bundestrainer Jochen Behle in dieser Sparte ja nicht: „Das ist einfach unsere schwache Seite.“ Zwar hat der Deutsche Skiverband vor dieser Saison extra ein Männer-Sprint-Team gegründet mit jungen Athleten, aber die fahren derzeit noch selbst den Allroundern hinterher. Allenfalls bei den Frauen gibt es so etwas wie eine deutsche Klassik-Sprint-Spezialistin, das ist Manuela Henkel aus Oberhof. „Es ist doch normal, dass man das am liebsten macht, was man am besten kann“, sagt die Athletin, die im Weltcup regelmäßig unter die Top Ten vorfährt. Ein Rennen hat freilich auch sie noch nicht gewonnen in ihrer Lieblingsübung, weshalb der Klassik-Sprint im Grunde die einzige Disziplin ist, bei der die DSV-Verantwortlichen von vornherein nur geringe Hoffnungen auf eine Weltmeisterschaftsmedaille hegen, sofern sie überhaupt welche haben.
Ein wenig bedauerlich findet es Jochen Behle ja schon, dass ausgerechnet bei der Heim-Weltmeisterschaft die klassische Version des Sprints an der Reihe ist: „Die gibt nicht das her, was das Skating hergibt“, vergleicht er die Attraktivität der Stilrichtungen fürs Publikum. Und stößt damit auf Widerspruch unter seinen eigenen Athleten. „Da geht’s genauso Mann gegen Mann“, sagt Teichmann, „man muss sich genauso schnell bewegen.“ Es geht halt nur etwas geordneter zu, sagt Manuela Henkel: „Jeder hat seine Spur, wo er läuft. Das ist sanfter.“ Wenn die Ellbogen ausgefahren werden, gibt die 56 Kilogramm leichte Läuferin zu, „habe ich Schwierigkeiten, mich durchzusetzen“.
Am Klassik-Sprint scheiden sich also die Geister, und das fängt schon bei der Definition an, was überhaupt unter Sprint zu verstehen ist. „Eigentlich die schnellste Fortbewegungsart“, findet Bundestrainer Behle und fügt hinzu: „Das ist halt nun mal Skating.“ Dem hält der Athlet Teichmann entgegen: „Da kommt’s nur auf die Streckenlänge an.“ Manuela Henkel findet die ganze Diskussion über Sinn und Unsinn des Klassik-Sprints überflüssig: „Die 30-Kilometer-Strecke wird ja auch in beiden Stilen angeboten. Warum nicht auch der Sprint?“
JOACHIM MÖLTER