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Archiv-Artikel

„Ich will nicht auf Eis liegen“

Für Monique Garbrecht-Enfeldt, Eisschnellläuferin des TSC Berlin, beginnt der Winter erst heute bei der Deutschen Mehrkampf-Meisterschaft in Berlin. Die Sprinterin litt unter einer Knieverletzung

VON MARKUS VÖLKER

Es hat sich im deutschen Eisschnelllauf eingebürgert, bisweilen den Stachel ins Fleisch der Konkurrenz zu treiben. Das Spiel wird auf recht unterschiedliche Weise getrieben, manchmal provozierend offen, meist jedoch hinterrücks. Nachher aber, wenn das Werk vollbracht ist, erklären alle Beteiligten, sie hätten nichts Böses im Sinn gehabt, sondern nur Gutes tun wollen. Überdies sei der Piekser als wunderbare Akupunktur gedacht gewesen.

So ist auch die Ankündigung von Anni Friesinger zu verstehen, ihr Herrschaftsgebiet, das sich bislang auf die Mitteldistanzen beschränkte, in den Sprintbereich auszudehnen. Die schnelle Anni aus Inzell will bei der Sprint-Weltmeisterschaft in Nagano (17./18. Januar) an den Start gehen und im geschützten Territorium der Oberschenkelprotze wildern.

Im Gebiet von Monique Garbrecht-Enfeldt, 34, zum Beispiel. „Das kann sie gern machen, sie hat ja in diesem Winter gute Leistungen im Sprint gebracht“, sagt die Läuferin des TSC Berlin. Garbrecht ist Sprinterin von Hause aus. Sie hat nie etwas anderes auf dem Eis gemacht, als maximal zu beschleunigen, seit mehr als 15 Jahren tut die 500-Meter-Weltmeisterin das. In diesem Winter ist sie freilich noch nicht in Tritt gekommen, weswegen die Chancen auf WM-Edelmetall für Friesinger gar nicht schlecht stehen.

Auch Sabine Völker aus Erfurt rennt ihrer Form derzeit noch hinterher. Und die WM-Zweite, Cindy Klassen aus Kanada, laboriert an den Folgen eines schweren Sturzes. Völker konnte immerhin schon einige Wettkämpfe hinter sich bringen. Für Garbrecht hingegen beginnt der Winter erst am Montag. Sie läuft bei der Deutschen Mehrkampf-Meisterschaft in Berlin. Das rechte Knie verhinderte einen rechtzeitigen Saisoneinstieg.

Das Malheur mit dem Knie passierte bei Startübungen im September in Salt Lake City, ihrer Trainingsheimat. Zunächst tat sie die Beschwerden ab. Aber das Knie schwoll an und wollte nicht wieder werden. Die Ärzte diagnostizierten eine Überlastung mit Knorpelschaden. Sie ließ sich nur konventionell behandeln, verzichtete auf einen chirurgischen Eingriff. „Ich will ja in diesem Winter laufen und nicht auf Eis liegen“, sagt sie. Über vier Wochen wurde sie in einer Spezialklinik in Bayern behandelt. „Dort war’s schön, aber das Wichtigste hat mir doch gefehlt: das Eislaufen. Da kann alles drum herum noch so toll sein.“

Seit Mitte Dezember ist sie nun in Berlin. Sie hat sich sehr langsam an höhere Belastungen herangetastet, in der Befürchtung, das Knie könnte nicht standhalten. „Drei Wochen bin ich jetzt wieder auf dem Eis, das ist schon ein Erfolg für mich“, sagt sie, „es kann nur in kleinen Schritten vorangehen.“

Deswegen sieht sie Anni Friesinger in der Rolle der eindeutigen Favoritin. „Klar ist sie das, aber abgerechnet wird immer am Ende der Saison.“ Noch kann Garbrecht „keine Weltrekordzeiten laufen“, noch will sie nur testen, ob ihre Form dem Anspruch eines Wettkampfs genügt, ob sie schon mithalten kann oder sogar für einen kleinen Erfolg gut ist. „Es wäre derzeit auf jeden Fall utopisch zu sagen: Ich kann Anni Friesinger schlagen.“ Gespannt ist Garbrecht zumindest, wie „die Anni den Sprinterinnen die Hölle heiß macht“. Während der Zwangspause ist ihr wohl auch der harte Konkurrenzkampf abgegangen – das Elixier eines jeden Leistungssportlers.

Ob Monique Garbrecht-Enfeldt über diesen Winter hinaus weitermacht, weiß sie noch nicht. Sie macht es vom Verlauf der Saison abhängig, auch davon, ob sie ein gutes Team findet. Ihr altes unter dem holländischen Coach Bart Schouten hat sie zuletzt nicht mehr zufrieden gestellt. Spitzenläufer wie der US-Amerikaner Derek Parra sind weggegangen. „Das Team ist nicht mehr so stark, aber ich brauche eine starke Mannschaft, ich brauche die richtige Reibungsfläche.“ Wie gut, dass sie in dieser Saison von Anni Friesinger herausgefordert wird und auch der US-Amerikanerin Jennifer Rodriguez, vor allem über 1.000 Meter. „Ja, gut“, sagt Garbrecht, „aber ich muss erst mal aufs Trapez kommen, dann kann ich weiterschauen, ich brauche Wettkämpfe, um wieder ins Geschäft zu kommen.“