Bücherpaket mit hochexplosivem Inhalt

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi entgeht einem Anschlag in Bologna unverletzt. Die Polizei tappt im Dunkeln

ROM taz ■ EU-Kommissionspräsident Romano Prodi entging am vergangenen Samstag unverletzt einem Paketbombenanschlag. Zwar hatte Prodi selbst in seiner Privatwohnung in Bologna die an seine Frau adressierte Büchersendung geöffnet; beim Aufreißen des Packpapiers schoss jedoch bloß eine Stichflamme hoch, während eine Explosion ausblieb. Prodi stellte sich schon kurz danach vor der Haustür den Journalisten und gab sich betont gelassen. Er berichtete, das Sprengpulver habe sich in einem ausgehöhlten Buch des italienischen Dichters Gabriele D’Annunzio befunden, und fragte, ob das – angesichts der Sympathien D’Annunzios für den Faschismus – wohl ironisch gemeint gewesen sei. Bloß einige Möbel und ein Teppich seien, so Prodi, von der Stichflamme beschädigt worden.

Bei der Briefbombenattacke handelt es sich schon um den zweiten Anschlag binnen weniger Tage auf Prodi. Schon am 21. Dezember waren vor seiner Wohnung zwei Müllcontainer mit ebenfalls nicht sehr professionell fabrizierten Sprengsätzen in Brand gesteckt worden.

Da es nach dem jüngsten Anschlag bislang keine Bekennerschreiben oder -anrufe gibt, verfügt die Polizei über so gut wie keine Indizien, die auf die Herkunft der Täter schließen lassen. Ein schwacher Hinweis könnte im angeblichen Absender des Pakets liegen: Auf dem Umschlag angegeben war ein „Circolo Dozza“. Die angebliche Vereinigung ist fiktiv, „Dozza“ heißt aber auch der Knast von Bologna.

Dies bestätigt die Ermittler in der Annahme, hinter dem Anschlag stünden Anarcho-Insurrektionalisten, für die der Kampf gegen die Gefängnisse eine der Hauptachsen der politischen Aktivität darstelle. Außerdem sei die simple Machart der Bombe ein Indiz in diese Richtung.

Bewiesen ist damit nichts. Die anarcho-insurrektionalistische Spur wird in Italien immer wieder bemüht, wenn Anschläge auf vergleichsweise niedrigem Level stattfinden. In den letzten Wochen empfingen in Rom diverse Adreassaten Briefbomben gleicher Machart. Während ein Paket im Arbeitsministerium ebenfalls bloß in einer Stichflamme aufging, trug ein Carabiniere schwere Verletzungen an einer Hand davon, als die Sendung beim Öffnen explodierte.

Auch damals kamen die Schuldzuweisungen sofort, ohne dass wirkliche Anhaltspunkte für die Herkunft der Täter vorlagen. Piero Fassino, Parteichef der Linksdemokraten, sprach denn auch von „einer obskuren und gravierenden Provokation, die darauf zielt, das demokratische Leben Bolognas und Italiens zu vergiften“. MICHAEL BRAUN