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Archiv-Artikel

Brüchige Allianz für Leben und Sterben

Ein Versicherungskonzern brach zusammen, die Renditen sinken, die Steuervorteile für Neuabschlüsse gehen ab 2005 flöten: Die Kapitallebensversicherung, der Deutschen Kultobjekt in Sachen Vorsorge, hat ihren Charme verloren

Der Geheimangriff auf die innere Sicherheitslage der Deutschen kam im Juni, und es war kein neuer Streit über soziale Kürzungen, sondern ein Zusammenbruch: Die Mannheimer Lebensversicherung meldete finanzielle Probleme an und musste die Verträge ihrer Kunden an die Branchen-Auffanggesellschaft Protektor übergeben – ein erstmaliger Fall in Deutschland.

Der Absturz der Mannheimer versetzte viele Anleger in Aufruhr. „Kann meine Lebensversicherung Pleite gehen, und was ist dann mit meinem Geld?“ Die Frage stellten sich viele Anleger, die Abhängigkeit der Privatvorsorge von den Finanzmärkten wurde erstmals sichtbar.

Es gilt zwar die Regelung, dass privat abgeschlossene Lebensversicherungen gegen eine mögliche Insolvenz der Versicherungsunternehmen geschützt sind, genau deshalb schuf die Branche die Auffanggesellschaft Protektor. Aber eine schwächelnde Versicherungsbranche sorgt dennoch für große Ängste, denn die Kapitallebensversicherung ist der BürgerInnen liebste private Vorsorge. Fast die Hälfte der Haushalte in Deutschland verfügt über eine oder mehrere Kapitallebensversicherungen, insgesamt 55 Millionen Verträge zählt die Branche. 67 Milliarden Euro werden jährlich an die Versicherer überwiesen.

Kein Wunder also, dass die gesellschaftliche Macht der Konzerne beträchtlich ist und auch die Politik recht flugs in Bewegung setzt. Dies wurde deutlich, als die großen Versicherungsunternehmen vor einigen Monaten über finanzielle Engpässe klagten und steuerliche Reparaturen verlangten. Die Konzerne hatten bei ihren Anlagen in den vergangenen Jahren zu sehr auf den Aktienmarkt gesetzt und mussten mit dem Niedergang an den Börsen ziemliche Verluste hinnehmen. Laut Gesetz konnten sie seit 2002 Verluste jedoch nicht mehr steuerlich geltend machen. Die rot-grüne Bundesregierung passte daraufhin die Gesetzeslage schnell wieder an: Ab 2003 können die Lebens- und Krankenversicherer ihre Verluste wieder steuerlich geltend machen, allerdings werden auch Veräußerungsgewinne wieder steuerpflichtig. SPD-Finanzexperte Joachim Poß erklärte, das Finanzministerium habe eine „Problemlösung“ vorgeschlagen, die den Versicherungsunternehmen helfe und die Versicherten vor Pleiten bewahre.

Die Lebensversicherung ist also eine heilige Angelegenheit – dennoch geht die Branche jetzt neuen Zeiten entgegen. Der entscheidende Vorteil der Lebensversicherung, nämlich die steuerfreie Auszahlung nach einer Laufzeit von mindestens zwölf Jahren, fällt für Neuabschlüsse ab dem Jahr 2005 weg. „Das ist das falsche Signal, ein verheerendes Signal“, klagte Gabriele Hoffmann, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Die Branche erwartet jetzt im nächsten Jahr noch einen Boom bei Neuabschlüssen. Ab 2005 jedoch droht die Flaute.

Verbraucherschützern ist es allerdings recht, wenn die Lebensversicherung endlich von der Hitliste der privaten Vorsorge verschwindet: „Eine Kapital-Lebensversicherung macht in der Regel keinen Sinn“, sagt Frank Braun, Geschäftsführer des Bundes der Versicherten (BDV). Der Garantiezins wurde gerade gesenkt, die Rendite ist heute als Folge der Börsenkrise erheblich niedriger als noch vor einigen Jahren, außerdem kann man aus den Verträgen vor Ablauf der Laufzeit nur mit hohen Verlusten aussteigen. Verbraucherschützer empfehlen daher zur Absicherung eines möglichen Sterbefalls lieber den Abschluss einer erheblich billigeren Risikolebensversicherung.

Die Geldanlage der Zukunft also muss jeder für sich selbst finden. Im Schnitt legen die BürgerInnen rund 10 Prozent ihres Einkommens beiseite. Vieles davon fließt aber weder in Versicherungen noch auf Sparbücher – sondern wird zur Abzahlung von Schulden verwandt. BD, THS