kuckensema: auf bremens leinwänden : Fallstudie Spielsucht: „Owning Mahowny“ von Richard Kwietniowski
Der Titel bringt es auf den Punkt: Die Spielsucht hat von Dan Mahowny totalen Besitz ergriffen. Alles in seinem Leben ist auf das Wetten ausgerichtet. Nichts anderes interessiert ihn, und da er als leitender Angestellter in einer Bank mit den Krediten von Kunden jonglieren kann, beginnt er auch bei seiner Arbeit zu spielen. Es beginnt damit, dass er 10.300 Dollar abzweigt, um Schulden bei seinem Buchmacher zu zahlen und endet mit einem Schaden für die Bank von über 10 Millionen. Der Film basiert auf einer wahren Geschichte: 1982 wurde Mahowny in Toronto wegen des größten Bankbetrugs Kanadas verhaftet und zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Kein Angst, ich verderbe Ihnen nicht die Spannung, wenn ich hier das Ende der Geschichte ausplaudere, denn von der ersten Einstellung an ist klar, dass Dan Mahowny nur verlieren kann. Er wettet ja auch gar nicht, um zu gewinnen, sondern um die Intensität des Wettvorgangs zu spüren. Von einem Psychiater gefragt, wie er auf einer Skala von Eins bis Hundert seine Erregung beim Spielen einschätzen würde, antwortet er ohne zu zögern mit „Hundert“. Und sein intensivstes Erleben abgesehen vom Spielen? „20!“
Einmal gewinnt er sogar: mit einer unglaublichen Glückssträhne sprengt er die Bank des Casinos in Atlantic City, in dem er regelmäßig spielt. Mehr als diese 9 Millionen Dollars kann er gar nicht gewinnen und trotzdem spielt er weiter, bis er am morgen wieder, wie schon so oft vorher, mit Nichts in der Tasche nach Toronto zurückfliegt. In Las Vegas vergisst er seine nette Freundin, sobald er an die Spieltische tritt, und dabei hatte die doch geglaubt, er wäre mit ihr dorthin gereist, um sie zu heiraten. Sein lokaler Buchmacher will nichts mehr mit ihm zu tun haben obwohl er seine bester Kunde ist, denn es geht gegen seine Berufsehre, jemanden auszunehmen, der so leichte Beute für ihn ist.
Der von John Hurt mit schlangenhafter Kälte gespielte Manager des Casinos hat solche Hemmungen nicht, und er versucht Mahowny mit allen Mitteln in seine Falle zu locken. Aber der ist an der kostenlosen Luxussuite, den Eintrittskarten zum Konzert der Pointers Sisters und an den Gratis-Besuchen von Callgirls überhaupt nicht interessiert. Er will nur spielen und ein paar Rippchen ohne Soße essen, und so interessiert er den Manager immer mehr als ein Purist, der das Verlieren zu einer Kunstform entwickelt.
Eine ähnliche Faszination muss auch den Regisseur Richard Kwietniowski dazu gebracht haben, diesen Film zu machen. Mit einer fast klinischen Distanz zeigt er die einzelnen Stufen von Mahownys Besessenheit. Und man sieht genau, gegen welchen Apparat die Spieler in einem Casino versuchen zu gewinnen. Mit Hunderten von Videokameras werden die Gambler genau beobachtet. Jede Schweißperle auf der Stirn von Mahowny am Spieltisch wird in Nahaufnahmen aufgezeichnet und von einem Team von Casinoangestellten beobachtet, die Gegenstrategien entwickeln. Auch in der Bank beschreibt der Film präzise die Mechanismen, die es Mahowny ermöglichen, dort mit geschickten Strategien und Betrügereien mit noch größerem Risiko weiterzuspielen. Kwietniowski verzichtet völlig auf die gängigen dramaturgischen Tricks, die die Zuschauer dazu verführen, sich mit dem Titelhelden zu identifizieren. Stattdessen hat er eine Fallstudie gemacht, die durch ihre analytische Schärfe und Detailtreue überzeugt.
Aber zum bisher wohl besten Film über einen Spieler, an den höchstens noch Robert Altmans „California Split“ heranreicht, wird „Owning Mahowny“ durch die Leistung von Philip Seymour Hofman. Hofman ist einer der meistbeschäftigten Charakterschauspieler im Hollywood der letzten Jahre. Er war der Krankenpfleger in „Magnolia“ und spielte in „Cold Mountain“, „Red Dragon“, „The Talented Mr. Ripley“ oder „Boogie Nights“ immer wieder den unansehnlichen, schwitzenden Verlierer am Rande des Nervenzusammenbruchs. In seiner ersten Hauptrolle triumphiert er nun, weil er den Spielsüchtigen mit einer wilden Radikalität verkörpert. Man glaubt da wirklich einen Besessenen zu sehen, der mit heillosem Tunnelblick nur das nächste Spiel im Auge hat, dem die Konsequenzen völlig egal sind, wenn er nur weiter wetten kann. Wilfried Hippen
„Owning Mahowny“ läuft im Kino 46 in der Originalfassung mit Untertiteln: Heute bis Samstag um 18 Uhr und von Sonntag bis Dienstag um 20.30 Uhr