: Rap und Promis auf Türkisch
Seit einem Jahr feiert in Nordrhein-Westfalen ein türkisches Lifestyle-Magazin große Erfolge. Das zweisprachige Blatt schreibt über türkische Rapper, den EU-Beitritt und Angela Merkel
VON LUTZ DEBUS
Detay, das türkisch-interkulturelle Lifestyle- und Sportmagazin feiert in diesem Monat sein einjähriges Bestehen. Die beiden Eltern des Geburtstagskindes, Bülent Firat und Hakan Uzun, sind mächtig stolz auf ihren Sprössling. Ehrenamtlich haben es die beiden Chefredakteure geschafft, nun schon das 13. Heft mit einer Auflage von inzwischen 40.000 Exemplaren zu produzieren. Die Zeitschrift im Din A5-Format liegt NRW-weit überall dort aus, wo junge Türkinnen und Türken anzutreffen sind: in Cafés und Discos, Geschäften und Restaurants. Die Produktionskosten werden ausschließlich durch die Anzeigenerlöse gedeckt. Allerdings, so Uzun, seien es Großkunden wie Scout 24, Öger-Tours, Westlotto, die regelmäßig ihre Annoncen schalten. Der Döner-Grill oder der Juwelier von der Ecke wirbt eher in türkischen Lokalzeitungen. Detay spricht junge, gebildete, relativ wohlhabende, deutsch sprechende Türkinnen und Türken an. Dazu passt das Layout, bunt und trendy.
Türkische Promis werden porträtiert, Rapper, Fußballer, Comedy-Stars, Schlagersänger. Etwa 80 Prozent der Texte sind in deutsch. Die Beiträge, die von der türkischen Illustrierten Haftalik übernommen werden, bleiben in türkischer Sprache. „Meisterwerke des türkischen Journalismus sollte man nicht ins Deutsche übertragen“, so Uzun. Die türkische Sprache, reich an Metaphern, würde wörtlich übersetzt oft einen sinnlosen Text ergeben. So lebt das Magazin von seiner Zweisprachigkeit. Detay soll seinen Lesern helfen, einen besseren Zugang zur deutschen Sprache zu bekommen. Uzun: „Unsere Leser lernen Deutsch besser zu lesen und unsere Schreiber lernen Deutsch noch besser zu schreiben.“ Ein Mitarbeiter habe inzwischen schon Beiträge für den WDR gemacht.
Die Biographie von Hakan Uzun ist vielleicht nicht typisch für einen Detay-Leser, erklärt aber viel von der Lage, in der sich die Nachkommen der ehemaligen Gastarbeiter befinden. Vor 29 Jahren in Mülheim geboren, lernte er nur bruchstückhaft türkisch. Die „Sesamstraße“ und „Die Sendung mit der Maus“ vermittelten ihm mehr Sprachkompetenz als die eigenen Eltern. Er las den „Kicker“, verfasste als Kind schon seine ersten Geschichten, natürlich in Deutsch. Als 16-Jähriger schrieb er bereits Artikel für die „Mülheimer Wochen“. Nach dem Studium der Anglistik und Kommunikationswissenschaften in Essen wurde er freier Journalist. Türkisch konnte er nicht besonders. Aber seine Freundin liebt türkische Literatur. Und so blieb ihm keine Wahl, er musste seine Muttersprache vor kurzem erlernen.
Die heutige Generation junger Türken sei, so Uzun, auf dem Weg der Selbstfindung. Dies zeigten auch die Themen von Detay. Schwule Türken, atheistische Türken, vieles sei inzwischen akzeptiert. Noch immer ein Tabu sei es, als Türkin lesbisch zu sein. „Das wird noch dauern.“ Aber die Doppelmoral herrsche nicht nur in der türkischen Community. Die Bild-Kampagne gegen Sibel Kekilli zeige, dass die deutsche Öffentlichkeit Türkinnen längst nicht dasselbe zugesteht wie anderen Frauen.
Im politischen Teil von Detay dominiert die Frage nach einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Türkei. Angela Merkel kommt dabei nicht so gut weg. Hakan Uzun versteht nicht, warum es so viele Vorbehalte gibt. Sofia oder Bukarest erscheinen ihm nicht europäischer als Istanbul. Bei europäischen Schlager- und Fußballwettbewerben sei die Türkei selbstverständlich mit dabei. In der NATO ist sie seit langem. Vielleicht, so Uzun, sei ein Land mit 70 Millionen Menschen, ausgestattet mit entsprechendem Mitspracherecht in den EU-Gremien, für das europäische Establishment eine zu große Bedrohung. Wegen möglicher Freizügigkeit sieht er Türken weder vor Wien noch vor Mülheim. Einige seiner Freunde aus der Medienbranche wollen sogar zurück in die Türkei. Da seien die Lebenshaltungskosten viel geringer und das Land biete mit seinem rasant wachsenden Dienstleistungssektor beste Möglichkeiten.
Uzun zumindest will aber noch hier bleiben. Denn gern möchte er Detay in anderen Zentren wie Berlin, Frankfurt, München und Hamburg etablieren. Aber bis dahin bleibt das interkulturelle Lifestylemagazin ein rein nordrhein-westfälisches Gewächs im Blätterwald.