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Sparfunksignale

Der neue BBC-Chef Thompson betreibt die radikale Umstrukturierung der Anstalt. Deutsche Privatsender fordern ähnliche Reformen für ARD und ZDF

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Die Moral bei der BBC ist am Boden. Grund für die schlechte Stimmung sind die umfassendsten Reformen seit 30 Jahren. Generaldirektor Mark Thompson hat Sparmaßnahmen angekündigt, die mindestens 2.500 von insgesamt 27.000 Angestellten ihren Job kosten und weitere 2.500 zum Umzug nach Manchester zwingen werden.

Thompson sagte, die BBC müsse finanziell gesund sein, um „die stärkste Kraft für das Kulturgut auf dem Angesicht dieser Erde“ zu bleiben. Er entschuldigte sich bei den Mitarbeitern, die dabei auf der Strecke blieben, aber das sei nun mal der Preis für das Überleben. „Ich weiß, dass es eine schmerzhafte und unsichere Phase geben wird, und das tut mir Leid“, sagte er in einer Rede, die in alle BBC-Büros in Großbritannien übertragen wurde. „Aber letztendlich ist dieser Preis der richtige Preis für eine starke und unabhängige BBC in der Zukunft.“

Die heftigen Einschnitte bei der „Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten“ haben natürlich auch Auswirkungen auf die Diskussion über die Reform von ARD und ZDF in Deutschland: „Ich freue mich immer, von der BBC-Reform zu lesen“, sagt Jürgen Doetz, ehemaliger ProSieben-Sat.1-Vorstand und Präsident des Privatrundfunkverbandes VPRT. „Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion auch als Mutterdiskussion für die Entwicklung bei uns in Deutschland geführt würde.“

Von den Entlassungen bei der BBC sind zunächst 2.500 Angestellte aus Verwaltung und Marketing betroffen. Auch Fernsehen und Rundfunk müssen mittelfristig 15 Prozent einsparen. Die 320 Millionen Pfund (463 Millionen Euro), die ab 2007 dadurch frei werden, will man in „die Stärken des Senders“ investieren: Komödien, Fernsehfilme, Musik und vor allem Nachrichtenmagazine.

Große Unruhe unter den Angestellten hat die geplante Auslagerung einiger Bereiche ausgelöst. Das BBC-Kinderfernsehen, der Nachrichtensender Radio Five Live sowie die BBC-Sportabteilung, die für Fernsehen und Radio arbeitet, müssen innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Manchester umziehen. Das betrifft fast 2.500 Angestellte. Seit Monaten wurden hinter den Kulissen heftige Machtkämpfe ausgetragen, weil keine Abteilung freiwillig nach Manchester wollte. Vielen erscheint das Risiko zu hoch, in London alles aufzugeben, wenn ihre Zukunft bei der BBC unsicher ist. Thompson meint jedoch, mit dem Umzug nach Manchester sei die BBC endlich enger mit dem Norden des Landes verbunden.

Darüber hinaus stehen auch die Strukturen des Senders zur Debatte. Sie haben sich seit der BBC-Gründung im Jahr 1927 nicht verändert: Die Anstalt wird von einem Aufsichtsrat geleitet, der von der Regierung ernannt wird, aber unabhängig ist. Anfang des Jahres wird die Regierung ein Strategiepapier für eine Umstrukturierung veröffentlichen. Insider glauben, dass sie Druck auf Thompson ausgeübt habe, sein Haus in Ordnung zu bringen, bevor der neue Lizenzvertrag für 2007 ausgehandelt wird. Die Beziehung zwischen Regierung und Sender ist seit vorigem Jahr schwer belastet, weil BBC-Radio 4 in seiner Nachrichtensendung „Today“ die Labour-Führungsriege der Lüge im Vorfeld des Irakkrieges beschuldigte. Die anschließende Untersuchung von Lordrichter Hutton gab der BBC die Alleinschuld an der so genannten Kelly-Affäre, der BBC-Generaldirektor und der Aufsichtsratsvorsitzende traten zurück.

Radio 4 ist seitdem immer seichter geworden. Und muss nun eine weitere Demütigung hinnehmen: Sarah Ferguson, geschiedene Windsor, wird Chefin von „Today“ – allerdings nur für einen Tag kurz vor Silvester. Die ehemalige Queen-Schwiegertochter will den Schwerpunkt ihrer Programme auf Snobismus und Fettsucht legen.

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