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Mädchen bringt Minister zu Fall

Großbritanniens Innenminister Blunkett war Vorreiter einer schärferen Einwanderungspolitik. Nun musste er wegen Vorzugsbehandlung des eingewanderten Kindermädchens seiner Exgeliebten zurücktreten. Unbeliebt war er schon vorher

VON RALF SOTSCHECK

Eigentlich wollte er Großbritanniens erster blinder Premierminister werden. Nun ist er der erste blinde Exinnenminister. David Blunkett ist am Mittwochabend zurückgetreten, nachdem Vorwürfe wegen einer Visumaffäre immer massiver wurden. Er soll dem philippinischen Kindermädchen seiner Geliebten eine Aufenthaltserlaubnis besorgt haben. Deshalb hatte er eine Untersuchung in eigener Sache einleiten müssen.

Blunkett, Rechtsaußen der Labour-Regierung, hatte ein Verhältnis mit der verheirateten Herausgeberin der konservativen Wochenzeitschrift Spectator, Kimberly Quinn, das drei Jahre andauerte und im August im Streit endete. Blunkett versucht zurzeit die Anerkennung seiner Vaterschaft von Quinns zweijährigem Sohn sowie ihres noch ungeborenen Kindes gerichtlich durchzusetzen. Er hatte bisher stets bestritten, unrechtmäßig in die Visumangelegenheit eingegriffen zu haben. Doch am Mittwoch erklärte Sir Alan Budd, den Blunkett nach Presseenthüllungen mit einer Untersuchung beauftragt hatte, dass E-Mails an die Einwanderungsbehörde, in denen es um den Visumantrag des Kindermädchens ging, aus Blunketts Büro kamen.

„Ich war immer ehrlich, was meine Erinnerung an bestimmte Ereignisse betrifft“, sagte der 58-jährige Blunkett. „Aber der Eindruck, dass der Visumantrag beschleunigt abgefertigt wurde, erfordert es, dass ich die Verantwortung übernehme. Deshalb habe ich mit größtem Bedauern meinen Rücktritt beim Premierminister eingereicht.“

Tony Blair hat nun den 54-jährigen bisherigen Bildungsminister Charles Clarke zum Nachfolger ernannt. Es ist nicht das erste Mal, dass Clarke auf Blunkett nachfolgt: Schon das Bildungsministerium hatte er vor drei Jahren von Blunkett übernommen. Clarke erklärte gestern, dass er Blunketts Politik kontinuierlich fortführen werde. Einige Labour-Abgeordnete hatten ihm geraten, Blunketts Lieblingsprojekt, die Einführung von Personalausweisen mit biometrischen Daten, zu überdenken. Clarke lehnte das ab. „Personalausweise sind ein Mittel, um eine sicherere Gesellschaft zu schaffen“, sagte er. „Ich habe Blunkett in dieser Sache immer unterstützt.“

Mit Blunkett verliert Blair dennoch einen engen Verbündeten. Er hatte seinem Innenminister bis zuletzt den Rücken gestärkt. Andere Kabinettskollegen hatten das anfangs auch getan, doch vorige Woche erschien Blunketts autorisierte Biografie, geschrieben von dem Journalisten Stephen Pollard. Darin beleidigt Blunkett eine ganze Reihe von Kabinettsmitgliedern. Das verziehen sie ihm nicht: Außenminister Jack Straw, dem Blunkett in dem Buch „Hysterie“ bescheinigt hatte, lehnte die Entschuldigung seines Kollegen ausdrücklich ab. Mindestens sechs Minister, so berichtete die BBC, wollten zuletzt Blunketts Rücktritt. Die Labour-Fraktionsführerin Hilary Armstrong schleuderte am Dienstag ein Exemplar der Biografie voller Wut wie einen Diskus durch das Unterhaus.

Bei einigen Hinterbänklern genoss Blunkett noch Sympathien. Die verscherzte er sich jedoch am Montagabend, als er gegen den Rat seiner Freunde bei der Weihnachtsfeier der Hinterbänkler auftauchte und vor 100 Gästen das Lied „Reiß dich zusammen und fang noch mal von vorne an“ sang, begleitet von einem Abgeordneten auf der Gitarre. „Es war unglaublich peinlich“, sagte einer. „Wir waren alle froh, als er ging.“ Nun ist er endgültig gegangen.

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