: Schluckweise Politik
MILCH Wer den Anbau von Gensoja verhindern will, kann das neuerdings auch am Kühlregal tun
VON HEIKE HOLDINGHAUSEN
Ohne Gentechnik“ steht auf der Milchtüte. Die Werbung richtet sich an die Kundschaft von Breisgaumilch: Kauft unsere Weidemilch, denn Kühe, die die liefern, werden nicht mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert.
Die Verbraucher wünschten sich diese Transparenz, sagt Maren Zeidler, Marketing-Referentin der Genossenschaft aus dem Schwarzwald. „Sie möchten wissen, wie die Lebensmittel, die sie konsumieren, hergestellt werden, und das müssen wir mit Zertifikaten belegen.“ Bislang tragen 80 der 1.600 Bauern, die der mittelständischen Molkerei in Freiburg Milch liefern, das Siegel „Ohne Gentechnik“. Genug, um die von Edeka, Rewe oder Real georderte Trinkmilch zu liefern, zu wenig, um auch Butter, Joghurt oder Frischkäse anzubieten.
Wirbel bei Weihenstephan
„Wir schauen, wie sich die gentechnikfreie Milch verkauft“, sagt Zeidler, „und erweitern dann entsprechend unser Angebot.“ Erst kürzlich hatte Greenpeace für Wirbel gesorgt. Die Umweltorganisation hatte bei vier großen Molkereien gentechnisch veränderte Bestandteile im Futter gefunden: Weihenstephan, Allgäuland, Bärenmarke und Landliebe. Kein Wunder, hatte Weihenstephan den Vorwurf pariert, zwar werde keine Genmilch verkauft, „genverändertes Tierfutter ist dagegen bei fast allen deutschen Landwirten seit Langem ein fester Bestandteil der Tierfütterung.“
Das stimmt. Denn im Trog von Hochleistungskühen, -schweinen und -hühnern landet eiweißreiches Futter, dessen Grundlage Mais oder Soja bilden. Angebaut wird es in der Europäischen Union nur auf kleinen Flächen, importiert hingegen im großen Maßstab. So verfüttern die deutschen Landwirte nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) jährlich fünf Millionen Tonnen Soja an ihre Tiere. Das meiste davon kommt aus Brasilien und den USA – und dort wird inzwischen überwiegend Gensoja angebaut.
„Natürlich beobachten die Landwirte dort die europäischen Konsumenten“, sagt Regine Rehaag vom Kölner Umweltforschungsinstitut Katalyse. Für den Deutschen Bundestag hat sie über transgene Pflanzen in Entwicklungsländern geforscht, ihre aktuelle Studie zeigt, welche sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Brasilien hat. „Bei all unseren Interviewpartnern war die Entwicklung in der EU ein Thema“, hat Rehaag festgestellt. Denn wenn sich der Landwirt zwischen Gensoja und der konventionellen Pflanze entscheiden muss, „kann der Konsument das Zünglein an der Waage sein“. Das bedeute zwar nicht, dass jeder Anbauverband gleich zum konventionellen Soja zurückkehre, aber wer hierzulande Einfluss auf die Ackerflächen in Brasilien oder den USA nehmen wolle, müsse beim Einkaufen auf das Siegel „Ohne Gentechnik“ achten.
Ein einheitlich gestaltetes Logo gibt es noch nicht. Jeder Hersteller kann selbst kreativ werden – mal prangt die Aufschrift dick und rot auf dem Joghurt, mal rankt ein zartes Pflänzchen zwischen den Zeilen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert, das verwirre die Kunden, sie fordert einen klar erkennbaren Button.
Kühe mit guten Aussichten
So unterschiedlich diese aussehen, sie besagen alle das Gleiche: Dieses Lebensmittel kommt von einem Tier, das ausschließlich mit gentechnisch unveränderten Pflanzen gefüttert wurde. Verunreinigungen bis 0,9 Prozent werden geduldet, wenn sie unabsichtlich in die Futtermarge gelangt sind. Auch Zusatzstoffe, etwa Vitamine oder Aromen, dürfen mithilfe gentechnisch veränderter Bakterien hergestellt werden. Diese gelangen allerdings, anders als Genpflanzen, nicht in die Umwelt.
Über den Einsatz von Pflanzengiften auf dem Acker oder eine artgerechte Tierhaltung sagt das Siegel „Ohne Gentechnik“ übrigens nichts aus. Wer möchte, dass die Lieferantinnen der Frühstücksmilch nicht nur ohne Genpflanzen gefüttert werden, sondern auch regelmäßig auf die Weide kommen, ihre Futterpflanzen nicht gespritzt werden und sie eine Aussicht darauf haben, älter als fünf Jahre zu werden, der kauft am besten die Tüte mit dem Biosiegel.