: Lordrichter strafen Blair ab
Höchstes Gericht erklärt Teil des britischen Antiterrorgesetzes für illegal. Internierung von Ausländern ohne Anklage ist Verletzung der Menschenrechte
LONDON taz ■ Die unbegrenzte Internierung von Ausländern ohne Anklage ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte. Das entschied gestern das höchste britische Gericht. Die neun Lordrichter gaben damit der Klage von neun ausländischen Staatsbürgern statt, die seit drei Jahren im Gefängnis Belmarsh im Südosten von London inhaftiert sind, weil man sie des Terrorismus verdächtigt.
Für ihre Inhaftierung reichte der „begründete Glaube“ des Innenministers, dass sie ein Sicherheitsrisiko darstellen. Diese Klausel ist einer der Kernpunkte des Gesetzes über „Antiterrorismus, Verbrechen und Sicherheit“, das Premierminister Tony Blair und sein gerade zurückgetretener Innenminister David Blunkett nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 im Eilverfahren gegen den Widerstand auch aus den eigenen Reihen durchgesetzt hatten. Dafür musste die Regierung den Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention für Großbritannien außer Kraft setzen.
Das war ungesetzlich, entschieden die Lordrichter. In seiner Urteilsbegründung kritisierte das Gericht die Regierung mit deutlichen Worten. „Die wahre Bedrohung für die Nation geht nicht vom Terrorismus aus, sondern von Gesetzen wie diesem“, sagte Lordrichter Leonard Hoffmann. Allein die Unterscheidung zwischen Briten und Ausländern sei unrechtmäßig. Lord Nicholls of Birkenhead fügte hinzu: „Unbegrenzte Inhaftierung ohne Anklage oder Prozess ist in keinem Rechtsstaat zulässig. Dadurch wird den Inhaftierten der Schutz eines Strafprozesses vorenthalten.“
Seit Verabschiedung der Gesetze sind 622 Ausländer wegen Terrorismusverdacht festgenommen worden, 69 wurden angeklagt und 15 verurteilt. 17 Personen werden ohne Anklage festgehalten. Amnesty international spricht deshalb von einem „Guantánamo vor unserer eigenen Haustür“, die Zustände in Belmarsh seien „inhuman und entwürdigend“. Selbst den Anwälten wird aus Gründen der nationalen Sicherheit vorenthalten, was ihren Mandanten eigentlich zur Last gelegt wird.
Das Urteil ist für die Regierung nicht bindend. Es ist Sache des Unterhauses zu entscheiden, was mit den Internierten nun geschieht. RALF SOTSCHECK