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Archiv-Artikel

Arg abgeschieden

Mit dem Umzug der Flüchtlingsunterkunft Tramm-Zapel schließt eines der letzten Dschungelheime in Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Weg in die Stadt wurde gegen die Heimleitung protestiert

Aus Tramm-ZapelAnke Schwarzer

Zwischen Birken, Buchen und einer überwucherten Raketenstation liegt die Flüchtlingsunterkunft Tramm-Zapel. Auf dem ehemaligen Kasernengelände der Nationalen Volksarmee lebten bis gestern rund 200 Männer, Frauen und Kinder aus Algerien, Togo, Armenien und anderen Ländern hinter Stacheldrahtzaun. Die nächste Ortschaft liegt acht Kilometer entfernt. Der Bus fährt nur ein, zwei Mal am Tag. „Wir kommen aus dem Dschungel, wo wir viele Jahre lang mit wilden Tieren gelebt haben – getrennt von Menschen, ausgeschlossen von der Gesellschaft, diskriminiert von den Behörden“, sagt ein junger Asylbewerber aus Togo.

Am Mittwoch begann der dreitägige Umzug des „Dschungelheims“ in die Kreisstadt Parchim. Nach jahrelangen Protesten von Flüchtlingen hatte der Landkreis dort eine neue Unterkunft von einem privaten Investor bauen lassen. Außerdem hat das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns bereits vor vier Jahren eine Richtlinie herausgegeben, nach der es nur noch Unterkünfte geben soll, die in Ortschaften liegen. Vorgesehen ist darin auch die Vermittlung von Grundkenntnissen der deutschen Sprache sowie soziale Betreuung, die nachbarschaftliche Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung fördern soll.

Im vergangenen Jahr sind fünf Heime geschlossen worden, weil sie nicht den Anforderungen entsprachen, und acht weitere Unterkünfte mit insgesamt 810 Plätzen bis Sommer dieses Jahres. Die Flüchtlingsheime in Bellin bei Ueckermünde und Tramm-Zapel seien nun die letzten abgelegenen Unterkünfte, die geschlossen werden, so der Leiter des Landesamts für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten Mecklenburg Vorpommern, Wolf-Christoph Trzeba.

Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern sieht das anders. „Es gibt immer noch Häuser, bei denen man nicht von einer menschenwürdigen Unterkunft sprechen kann“, sagt Brigit Witte vom Vorstand des Flüchtlingsrats. In Retschow bei Bad Doberan etwa lebten Flüchtlinge weiterhin mitten im Wald, abgeschieden sei auch die Ernst-Thälmann-Siedlung bei Malchow.

Viele Flüchtlinge aus Tramm-Zapel, die dort zum Teil bis zu sieben Jahren verbracht haben, sind nun erleichtert. Ärger aber bleibt. Auch in Parchim müssen sich vier Personen ein 24 Quadratmeter großes Zimmer teilen. Außerdem gab es keine Ausschreibung und damit auch keinen Wechsel der Heimleitung.

„Senst muss weg!“ stand auf Pappschildern, die einige Flüchtlinge während des Umzugs, der von einem großen Polizeiaufgebot begleitet wurde, hochhielten. In einem offenen Brief an das Innenministerium protestierten 91 Flüchtlinge gegen den Heimleiter Werner Senst. Sie werfen ihm die Verletzung des Postgeheimnisses vor. Mit psychischem Druck, Überwachung und Missachtung der Privatsphäre erzeuge er ein Klima der Angst, so die Flüchtlinge. Senst hat mittlerweile Anzeige wegen Beleidigung und Verdachts auf übler Nachrede und Verleumdung gegen vier Personen gestellt, Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin sind eingeleitet.