: Dauerabseits-Episoden
Die Hinterbänkler kommen zu Wort: Andri Beyelers Fußball-Stück „Kick & Rush“ im Thalia in der Gaußstraße
Die Trainingsanzüge sind ein türkis-silberner Albtraum in Polyester, die T- Shirts darunter gesponsert von der örtlichen Metzgerei Pfeiffer. Wenn man 15 ist und in der B-Juniorenmannschaft spielt, darf man keine hohen Ansprüche stellen. Niemand weiß das besser als Chrigel und Mischa. Die beiden Jungs sitzen mal wieder auf der Ersatzbank – und das nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Sie befinden sich in ihrem Heimatfußballverein im Dauerabseits. Und doch kommen sie Sonntag für Sonntag wieder, getragen von der Hoffnung, doch noch einmal einen glanzvollen Auftritt hinzulegen für die Karins und Jeannines auf der Zuschauertribüne.
Der Schweizer Dramatiker Andri Beyeler, geboren 1976 in Schaffhausen und im Thalia bereits bekannt durch The Killer in Me is the Killer in You My Love, erzählt in drei Episoden die Geschichte einer ungleichen Leidensgemeinschaft auf der Auswechselbank: Mischa (Jonas Vietzke), die Nummer 13, der Bleiche mit den traurigen, rotgeränderten Augen, findet nämlich: „Eigentlich geht‘s uns hier gar nicht so schlecht.“ Er gehört zu denen, die sich mit dem Misserfolg abfinden, denen die künftigen Niederlagen schon mit 15 ins Gesicht geschrieben sind. Die sich auf ihr Leben auf der Ersatzbank eingerichtet haben und motzen, wenn sie dann doch noch für die letzten drei Minuten des Spiels eingewechselt werden.
Ganz anders Chrigel (Tino Mewes). Er regt sich auf, erkennt die Ungerechtigkeit und ist so von sich selbst überzeugt, dass ihn auch sein eigener Fehlpass zwei Meter vor dem Tor nicht erschüttern kann. Dritter im Bunde ist das ewig nervende Team-Maskottchen (Clemens Dönicke), das im Bärenkostüm schlaue Ratschläge gibt und den beiden Ersatzbänklern immer wieder erbarmungslos ihr Elend vorhält.
Für die drei Jungschauspieler ist Kick & Rush ein Paradestück. Tino Mewes als nervös-zappeliger Rebell und Jonas Vietzke als sein verträumt-lethargischer Konterpart zeigen sehr feinsinnig, wie schmal die Grenze zwischen Freundschaft und Außenseiter-Gemeinschaft ist – vor allem, wenn einer von beiden dann doch eingewechselt wird. Clemens Dönicke, der als manischer Alleinunterhalter und scharfer Beobachter über dem Ganzen wacht, hat einen großartigen Auftritt mit seiner flammenden Rede über das Für und Wider der Viererkette.
Regisseur Dominik Günther hat seinen Schauspielern ein gutes Tempo vorgegeben, die Dialoge sind rasant und stimmig umgesetzt. Dennoch fehlt der dramatische Bogen: Kick & Rush bleibt eine Abfolge von Episoden, die man endlos weitererzählen könnte. Das Ende kommt, weil eben ein Ende kommen muss. Einer wird bleiben, einer wird gehen. Ein paar Designerturnschuhe wechseln den Besitzer und dann kommt nach 70 Minuten der Abpfiff – noch vor Ende der regulären Spielzeit.
Carolin Ströbele
nächste Vorstellungen: 16. 1. , 19 Uhr; 18./19. 1., 11 Uhr; 30. 1., 20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße