: Länder schossen Eigentor
Das Scheitern der Föderalismuskommission wirft die Länder auch in Bildungsfragen zurück.Weil die Regierungschefs das bald erkennen werden, ist das Aus für die Reform nur ein vorläufiges
VON CHRISTIAN RATH
Die Föderalismusreform wird weitergehen. Auch wenn im Moment noch der Katzenjammer vorherrscht, werden vor allem die Länder bald erkennen, dass sie mit ihren Maximalforderungen in der Bildungspolitik ein Eigentor geschossen haben.
Am Freitag mussten die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission, SPD-Chef Franz Müntefering und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), das vorläufige Scheitern der Reform erklären. Entscheidender Streitpunkt: Die Länder hatten verlangt, dass sich der Bund weitgehend aus der Bildungspolitik zurückzieht, der Bund wollte bei diesem wichtigen Thema aber weiter Impulse setzen. Am Wochenende appellierten Stoiber und Müntefering noch einmal an Bund und Länder, die Reform, an der ein Jahr lang gearbeitet worden war, nicht zu den Akten zu legen. Bundespräsident Horst Köhler forderte eine schnelle Wiederaufnahme der Gespräche.
Die Reform sollte die Zuständigkeiten von Bund und Ländern entflechten, um die Politik handlungsfähiger zu machen. Nach einer Aufstellung von Müntefering hatte die Kommission sich achtzehn Projekte vorgenommen und dabei in elf Punkten einen Konsens erzielt, in sieben Fragen war man der Lösung nahe und nur auf einem Feld – der Bildungspolitik – war kein Kompromiss möglich.
Auf den ersten Blick läge es also nahe, nun das Grundgesetz zumindest in den Punkten zu ändern, wo man sich bereits einig ist. Die Zahl der Bundesgesetze, bei denen der Bundesrat zustimmen muss, könnte so spürbar reduziert werden, dafür erhielten die Länder zahlreiche neue Kompetenzen in der Gesetzgebung. Faktisch ist diese Lösung, die auch Müntefering am Freitag vorgeschlagen hatte, aber ausgeschlossen. Die Länder können einer Föderalismusreform, bei der die Bildungsfragen ausgeklammert bleiben, nicht mehr ohne Gesichtsverlust zustimmen, nachdem sie ja am Ende der Kommissionsarbeit ein entsprechendes Junktim aufgestellt haben. Es wäre jedenfalls schwer zu erklären, warum dieses Junktim außerhalb der Kommission plötzlich nicht mehr gelten sollte. Keine Hilfe verspricht auch der Vorschlag des FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt, nun solle ein „Konvent“ aus „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ einen neuen Anlauf unternehmen. Verfassungsänderungen müssen nun mal mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Ohne Konsens der Politik ist eine Föderalismusreform nicht möglich. Auch im EU-Verfassungskonvent, auf den Gerhardt und andere verweisen, saßen nur aktive Politiker.
Doch der Konsens wird auch im Bildungsbereich kommen. Denn für die Länder sind selbst hier die Angebote des Bundes noch günstiger als der Status quo. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Bundesprogramms zur Einrichtung von Ganztagesschulen. Hier hat der Bund den Ländern 4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die laut Grundgesetz als Investitionshilfe gelten. Viele Ländern lehnen solche Angebote eigentlich ab, da sich hier der Bund profilieren kann und die Länder, die eigentlich für Schulpolitik zuständig sind, unter Zugzwang setzt. In der Föderalismuskommission hatten sich die Länder mit dieser Position auch durchgesetzt. Es war Konsens, dass Finanzhilfen des Bundes verboten sind, wenn es um Vorhaben geht, die „Gegenstand der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder sind“. Scheitert die Föderalismusreform, bleibt alles beim Alten und der Bund kann weiter mit seinen Finanzhilfen Schulpolitik betreiben. Ähnliches gilt für die noch strittigen Fragen bei der Hochschulgesetzgebung, beim Hochschulbau und der Bildungskoordination von Bund und Ländern. Stets sind die Angebote des Bundes für die Länder günstiger als der Istzustand – auch wenn der Bund sich hier nicht völlig zurückziehen will. Die Länder werden bald einsehen, dass sie auch im Bildungsbereich von einer Einigung nur profitieren können.