: Neocons auf der Couch
taz-Autor Misik über die „Politik der Paranoia“
Sie sind zwar abgewählt worden und ihre Wirtschaftspolitik hat zur größten Krise seit 1929 geführt – ob sie aber tatsächlich am Ende sind, ist keineswegs gewiss. Gemeint sind die Neuen Konservativen, wie sie in den Augen des Wiener Journalisten und taz-Autors Robert Misik seit 30 Jahren den gesellschaftlichen Diskurs des Westens dominieren. Ihre Ideologie vom allgemeinen Nutzen eines ungebremsten Wettbewerbs ist keineswegs tot und was an ihre Stelle treten könnte, ist nicht ausformuliert. Grund genug für Misik, in seinem neuen Buch „Politik der Paranoia“ zu untersuchen, was die Neokonservativen, zu denen er auch die Neoliberalen zählt, eint.
Natürlich gebe es Unterschiede zwischen Neokonservativen, Wertkonservativen und den neoliberalen Predigern des Kampfes aller gegen alle, sagt Misik. Dennoch seien Industrielobbyisten wie Hans-Olaf Henkel und Werte verkündende Christen wie der Fernsehmoderator Peter Hahne Teil desselben, extrem stabilen neokonservativen Komplexes. „Ein Ziel des Buches ist zu zeigen, welche moralische Erzählung diesen Komplex zusammen hält“, sagt Misik.
Ganz kurz laute die Antwort: die Ablehnung des Sozialstaats. Der Ideologie der im engeren Sinne Neokonservativen zufolge zersetzt der Sozialstaat die traditionellen Bindungen wie etwa in der Familie, weil er deren Funktion der sozialen Absicherung übernimmt. Das ermöglicht es, Frauen ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Situation ihre Männer zu verlassen. Die Neoliberalen lehnen den Sozialstaat ab, weil er das freie Spiel der Kräfte, der schöpferischen Zerstörung verhindert. Dass dieses „in mirakulöser Operation“ zum Nutzen aller umschlagen soll, hält Misik für Quatsch. „Das können heute nur noch Fantasten behaupten“, findet er. KNÖ
Lesung 19 Uhr im Kulturhaus 72, Schulterblatt 73