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Archiv-Artikel

Schröder ist not amused

Die evangelische Kirche in Recklinghausen karikiert in einer Plakataktion die Agenda 2010. Die Bundesregierung findet die Satire gar nicht lustig und spricht sich selbst ein Lob für die Reform aus

von ANNIKA JOERES

Gerhard Schröder kann über Kritik aus Recklinghausen nicht lachen. Die Plakataktion des evangelischen Kirchenkreises gegen die Agenda 2010 sei eine „krampfhafte Satire“, so ein Sprecher der Bundesregierung. Die Kirche ignoriere die positiven Auswirkungen der Reform, zum Beispiel die Überschüsse bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Der Kirchenkreis hatte die Werbekampagne der Bundesregierung aufs Korn genommen. Diese hatte flächendeckend plakatiert. So guckte zum Beispiel ein zufriedener Fabrikarbeiter vom Plakat, der „dank der Agenda seine Arbeit behält“, oder es war eine Frau vor einem Solarzellenpaneel zu sehen, die den Umweltschutz dank des Reformprojekts gerettet sieht. „Diese Plakate waren an Satire eigentlich nicht mehr zu toppen“, sagt Volker Brockhoff, Sprecher des Kirchenkreises. Sie hätten es trotzdem versucht, weil sie die verdummende Darstellung nicht mehr ausgehalten hätten.

Mit großem Erfolg: Ihre Plakate werden von zahlreichen Wohlfahrtsverbänden, Beratungsstellen und Kirchenkreisen bestellt, ab Januar werden sie im Kreis Recklinghausen hängen und in Obdachlosenzeitungen erscheinen. Auf den ersten Blick sehen auch sie positiv aus: Zwei strahlende Kinder in einer Tonne lächeln darüber, dass laut Kinderschutzbund in Zukunft nicht mehr eine Millionen, sondern 1,5 Millionen Kinder von der Sozialhilfe leben müssen. Ein Polizeibeamter freut sich über neue Arbeitsplätze für Sicherheitsdienste – die Polizeigewerkschaft befürchtet, Angestellte der Arbeitsagenturen vor aufgebrachten Erwerbslosen schützen zu müssen. „Ernste Worte gibt es genug“, sagt Brockhoff. Auf satirische Weise könne den Menschen ein Sprachrohr gegeben werden.

Sozialpfarrer Hans Hubbertz freut sich über die harsche Reaktion der Bundesregierung. „Ein klassisches Ablenkungsmanöver von der missratenen PR-Strategie zur Agenda“, sagt Hubbertz. Seine Aufgabe sei es, mit ungewöhnlichen Mitteln Unruhe zu stiften. „Ich will mich nicht der Alternativlosigkeit beugen.“ Es sei eine Sozialpolitik möglich, die der Mehrheit der Bevölkerung zugute käme und die nicht nur von unten nach oben umverteile. „Keine der vollmundigen Versprechungen wurden erfüllt“, sagt Hubbertz. Über die magere Erfolgsmeldungen zu den Krankenkassen kann er nur lachen. „Das sind Pyrrhussiege.“ Allein die Versicherten hätten die Zeche über hohe Beitragssätze und Praxisgebühr zu zahlen.

Schon im vergangenen Herbst ging sein Kirchenkreis mit dem Slogan „Arm sein ist geil“ an die Öffentlichkeit. Der Medienriese Saturn erkannte darin seine Geiz-ist-geil-Kampagne und drohte Hubbertz mit rechtlichen Schritten. Aus „Arm sein ist geil“ wurde so „Gaga ist gaga“. Kirchen seien oft zu moderat, ohne Biss, sagt Hubertz. Zum Protestantismus gehöre aber Individualität und ein frischer Geist.