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Archiv-Artikel

Islamische Föderation schwer zu bannen

So wie Bildungssenator Böger die Islamische Föderation aus den Schulen herauskomplimentieren will, funktioniert es nicht, meint der Humanistische Verband. Und wirft Böger eine falsche Darstellung der Rechtsprechung vor

Die umstrittene Islamische Föderation bleibt im Boot. Auch bei einer Einführung des Wahlpflichtfachs LER (Lebenskunde/Ethik/Religion) kann sie nicht ausgeschlossen werden. Zu diesem Fazit kommt Peter von Feldmann, ehemals Vorsitzender des Oberverwaltungsgerichts, bei seinem Gutachten, das er für den Humanistischen Verband Berlin erstellte.

„Die Rechtssprechung wurde von Senator Klaus Böger falsch dargestellt“, sagt Feldmann. Dadurch sei der Eindruck entstanden, die Islamische Föderation könne aus den Schulen verbannt werden. Bögers Rechtsberater Bernhard Schlink hatte Ende November erklärt, seit „Berlin im neuen Schulgesetz dem grundsätzlichen Verständnis von Religionsgemeinschaften folgt, ist für einen Unterricht der Föderation kein Raum mehr“. Feldmann zufolge erfüllt die in der Kritik stehende Föderation aber die Kriterien als Religionsgemeinschaft, und keine Gemeinschaft dürfe diskriminiert werden.

Solange nicht neue Tatsachen auf dem Tisch liegen – etwa, dass die Vereinigung die Grundregeln für eine Zusammenarbeit mit dem Staat verletzt –, bleibe alles wie gehabt, so Feldmann. Einzig bei einer Einführung der LER-Variante, die kein Abmelden für den Religionsunterricht zulässt, wäre das Ziel erreicht. „Allerdings schließt das zugleich die Kirchen und den Humanistischen Verband aus“, sagte Feldmann. Alles andere stuft er als verfassungswidrig ein.

Die Bildungsverwaltung nimmt das Gutachten gelassen: „Das ist nichts Neues und ändert am Status quo nichts“, sagt Rita Hermanns, die Sprecherin Bögers. Es gelte aber, intensiv nachzudenken, was geändert werden müsse, um das Problem zu lösen.

Die Sorge des Humanistischen Verbands Berlin ist, bei einer Umstellung auf LER unberücksichtigt zu bleiben. So wie es in Brandenburg der Fall ist. Weil die Weltanschauungsgemeinschaft keinen gesetzlichen Anspruch hat, bleibt sie im benachbarten Bundesland außen vor. Derzeit prozessiert der Verband dagegen vor dem Verfassungsgericht in Potsdam. Eine Entscheidung wird für kommendes Jahr erwartet.

Damit steht der Berliner Landesverband in der Zwickmühle: Er kämpft zwar für die Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Dennoch „mag ich nicht sagen, dass wir mit der Islamischen Föderation in einem Boot sitzen“, erklärte der Landesvorsitzende Bruno Osuch. Er warnt davor, das System zu Gunsten eines einseitigen zu verändern.

Bislang unterrichten die Lehrer des Humanistischen Verbands 36.000 Schüler. Sie wollen als gleichberechtigte Alternative zur Kirche angesehen werden. Dass sie den Status einer Weltanschauungsgemeinschaft erfüllen, bescheinigt ihnen Feldmann in seinem Gutachten. Osuch: „Zwei Drittel der Bürger sind konfessionsfrei. Da kann nicht ein Fach geopfert werden, das seit 80 Jahren besteht.“

Grundsätzlich befürwortet der Vorsitzende LER – mit weiteren freiwilligen Angeboten. Das ist jedoch auch eine Frage des Geldes. Würde der Staat 100 Prozent der Kosten für Ausbildung und Unterricht tragen, wäre dies Osuchs Rechnung nach eine Mehrbelastung von 120 Millionen Euro jährlich für den Haushalt. Bislang trägt das Land nur einen Teil der Kosten für den Religions- und Lebenskundeunterricht. SONJA FRANK