FISCHEREIPOLITIK: EU-KOMMISSION VERLOR GEGEN EINZELSTAATEN
: Kabeljau in Seenot

Beim Gefeilsche um die Fischfangquoten in Nord- und Ostsee ist die Lage eigentlich recht übersichtlich. Die 39.000 Tonnen Kabeljau, die die EU-Fischfangflotte im kommenden Jahr in der Ostsee nun doch wieder fischen darf, sind genau 39.000 Tonnen zu viel. Die Bestände sind seit Jahren überfischt, die Art ist möglicherweise gar vom Aussterben bedroht. Man darf den Fisch deshalb nicht schneller fangen, als er sich fortpflanzen kann. Vor der Bedrohung warnen die WissenschaftlerInnen. Über das Wissen verfügen auch die UmweltministerInnen. Und vermutlich unterschreiben diese Erkenntnis auch die meisten FischereipolitikerInnen, die jetzt bei der Fachministertagung der EU zu entscheiden hatten.

Die nahe liegende Konsequenz, für einige Jahre einen absoluten Fangstopp zu verfügen, scheint trotzdem eine politische Unmöglichkeit zu sein. Zu gut funktioniert die „Weiter so“-Lobby, die mit den wirtschaftlichen Belangen der Fischer argumentiert: Man könne sie nicht von einem Tag auf den anderen um Teile ihres Einkommens bringen. Doch dies ist ein Argument, das auf kurzes Gedächtnis setzt. Die Branche ist von der EU-Fischereipolitik mit Subventionen künstlich aufgebläht und in weit überdimensioniertem Umfang am Leben gehalten worden, und dies, als sich die Konsequenzen verantwortungsloser Plünderung der Fischbestände schon klar abzeichneten. Dies passiert auch weiterhin, zu allem Übel auch noch vor der Küste der westafrikanischen Länder, denen man billig die Fangrechte abkauft und sie so ihrer Naturressourcen beraubt.

Der jetzt gefundene Kompromiss mit Fangbeschränkungen ist nur die zweitbeste Lösung. Immerhin wurden die Sperrzonen erweitert und das Sommerfangverbot mehr als verdoppelt. Der Schutz des wichtigen Fortpflanzungsgebiets um Bornholm gibt dem Ostseekabeljau eine Chance. Den Kabeljau in der Nordsee will die EU aber offenbar zur völligen Ausrottung freigeben. Bleibt die Möglichkeit, als Konsument ganz genau hinzusehen und zu Ware aus gefährdeten Beständen einfach Nein zu sagen. REINHARD WOLFF