: Elf gefallsüchtige Monolithen
Einzeln sind sie meist unerträglich, aber was passiert, wenn man sie in großer Zahl präsentiert? Am ersten und zweiten Weihnachtstag zeigt die ARD gleich elf Showmaster auf einmal. („Spiele ohne Grenzen?“, Sa., 22.30 Uhr und So., 23.10 Uhr)
VON CHRISTOPH SCHULTHEIS
Anne Will: Herr von der Lippe, was fasziniert Sie als Intellektuellen eigentlich so sehr am Leute-Nassmachen?
Jürgen von der Lippe: Rüdiger Safranski hat eine ganz ausgezeichnete Schiller-Biografie vorgelegt. (Pause) Und von Schiller kennen wir das Zitat: „Der Mensch ist nur Mensch, wo er spielt.“ (Pause) Und Safranski äußerte in einer Talkshow oder im Stern, befragt, was Schiller uns heute noch zu sagen hat, (Pause) er interpretiere Schiller so, dass wir doch versuchen, unsere Konflikte spielend zu lösen, (Pause) beziehungsweise im Spiel Lösungsmöglichkeiten für ernsthafte Konflikte zu finden. (Pause) Damit ist die Frage doch beantwortet.
Anne Will: Nee, Wasser kam nicht vor.
Mit anderen Worten: Wenn elf (!) Showmaster für drei (!) Fernsehstunden in einem (!) Studio beisammensitzen, um unter der Leitung von Anne Will (!) über ihre Arbeit nachzudenken, dann kann man sie auch mal für sich sprechen lassen – auch wenn sie selten viel zu sagen haben, der Alfred Biolek, der Rudi Carrell, der Frank Elstner, der Blacky Fuchsberger, der Günther Jauch, der Hape Kerkeling, der Wolfgang Lippert, der Karl Moik, Michael Schanze, der Jürgen von der Lippe und – als einzige Frau in der Runde – Ulla Kock am Brink. Gottschalk hatte keine Zeit. Aber auch ohne ihn bleiben die verbliebenen Showmaster selbst dann Showmaster, wenn sie mal eine Zeit lang zu elft im Kreis sitzen. Man könnte auch sagen: Es funktioniert nicht, denn ihr gewöhnliches Promi-Leben ist nun mal das von gefallsüchtigen Monolithen, die, sobald die Kamera läuft, weder ein böses Wort über die Kollegen noch einen kritischen Satz über ihre Arbeit sagen wollen oder können. Gewöhnlich sind sie es, die die Fragen stellen und bestimmen, wer sonst?
Anne Will: Herr Schanze, ein Mindestmaß an Anzüglichkeit muss sein, oder?
Michael Schanze: Ach, ich weiß nicht.
Anne Will: Herr Elstner, ist die Show insgesamt überfordert mit der Aufklärung, mit der Schaffung von Problembewusstsein oder so was?
Frank Elstner: Also ich fühle mich überfordert mit einer guten Beantwortung dieser Frage.
Aber „Spiele ohne Grenzen?“ ist nicht nur Ausnahmefernsehen und Experiment, sondern zugleich der dritte Teil einer Trilogie des 43-jährigen WDR-Unterhaltungsredakteurs Klaus Michael Heinz, der Anne Will zuvor schon ähnlich hochkarätige Runden zum Thema „Talkshow“ („Das Ganze eine Rederei“) und „Politik“ („Unsere Volksvertreter“) befragen ließ. Durchsetzt ist auch die jetzige, in zweimal anderthalb Stunden zerschnittene „Show“-Runde wie ihre Vorgänger mit viel Archivmaterial aus der deutschen Fernsehvergangenheit und -gegenwart. Lauter aufschlussreiche und banale Sachen, die man sonst höchstens in der BR-Reihe „Kuli & Co.“ (drei neue Folgen ab 3. Januar, 23 Uhr!) zu Gesicht bekommt.
Und es ist seltsam, dass der „Dokumentation“ genannte Zweiteiler – drei Tage nach Harald Schmidts erster „Harald Schmidt“-Show in der ARD – ausgerechnet mit Harald Schmidt anfängt, genauer gesagt: mit Fragen wie „Was hat Harald Schmidt falsch gemacht?“ und „Woran ist er gescheitert?“. Aber das nur nebenbei. Die Sendung wurde lange vorher aufgezeichnet.
Klaus Michael Heinz ist im WDR übrigens unter anderem zuständig für die neue „Harald Schmidt“-Show. Aber auch das nur nebenbei. Denn als Filmmacher ist Heinz kein wirklich guter Handwerker. Die Schnitte zwischen den einzelnen Archivsequenzen, zwischen Archivsequenz und Talk sind ungeschmeidig oder wirken so, zerhacken den Redefluss.
Nicht selten unterbricht ein Ausschnitt die Gäste mitten im Satz. Das nervt, hat aber auch Vorteile: So werden aus Dahergesagtem plötzlich seltsame Statements, während die Kamera nicht nur zeigt, wer redet, sondern auch, wer zuhört (oder eben nicht zuhört) usw. Zudem ist das Gespräch mit Anne Will beileibe nicht gut gelaunt und kommt im ersten Teil tatsächlich erst kurz vor Schluss in Schwung, als es ums Geschmacklosigkeitsfernsehen geht – und ums „Flatulieren“. Da sind sich nämlich alle (außer Kock am Brink, die selbst mal so eine Sendung moderieren durfte) einig im Schlimm-Finden. Immerhin entspinnt sich in der Sonntagsfolge zum Thema „Alltagsfluchten oder Aufklärung“ schon nach 45 Minuten eine halbwegs angeregte Diskussion, woran insbesondere Günther Jauch nicht ganz unbeteiligt ist.
Und so dauert's ebenfalls eine ganze Weile, bis man als Zuschauer begreift, dass es sich bei „Spiele ohne Grenzen?“ tatsächlich nicht um eine Talkshow mit Einspielfilmchen handelt, sondern um eine „Dokumentation“, die sich (wie man den diversen Versuchen in diversen Zeitungen der letzten Tage ansah) jedwedem fernsehskeptischen Reflex entzieht, indem sie ihn schon selber mitdenkt oder so.
Anne Will: Herr Schanze, wieso hält sich der Irrglaube so hartnäckig, dass im Fernsehen nix passieren wird?
Michael Schanze: Ja, genau.