: Kicken im Camp 306
„Wir Fußballspieler waren bei den Engländern beliebter“: Heinz Schwipps gehörte zur Lagerauswahl vom Bittersee
taz: Herr Schwipps, wie sah Ihr sportlicher Werdegang aus?
Heinz Schwipps: Ich habe im Arbeitersport angefangen, in einer Knabenmannschaft der SG Cotta mit sieben Jahren. Kurz vor der Zerschlagung der Arbeitersportbewegung wurde ich vom SV Guts Muts gesichtet und wechselte zu den Blau-Weißen. Dort spielte ich dann in der starken Gauliga Sachsen. In Erinnerung geblieben sind vor allem die Begegnungen gegen den Dresdener SC mit den Nationalspielern Richard Hofmann und Helmut Schön. Damals bekamen wir für einen Sieg 10 Reichsmark und bei einer Niederlage noch 5 Reichsmark.
Wann und wo sind Sie in Gefangenschaft geraten?
Ich war bei der Luftwaffe in einer Flakeinheit. Bei Kriegsende befand ich mich im Mittelmeer auf Kreta, wo wir dann von den Briten interniert und nach Ägypten verschifft wurden. Am Bittersee kamen wir ins große Camp 306, das schon für die Soldaten des Afrikakorps errichtet worden war. Ich habe dann im Lager bei der Poststelle gearbeitet.
Wie sah der Sportbetrieb im Lager aus?
Im unserem Lager konnte man Boxen, Tischtennis spielen, es gab Leichtathletikwettbewerbe. Es wurden regelrechte Meisterschaften ausgetragen, auch im Fußball. Innerhalb des Lagers und übergreifend gegen andere Camps. Unsere Lagerauswahl, die 1946 am Bittersee die Meisterschaft gewann, hatte zweimal in der Woche Training. Wir hatten damals eine gute Mannschaft zusammen: Ernst Seikowski vom HSV als Verteidiger, sein Freund Wilhelm Leßle von Rasensport Harburg als Mittelläufer und Wilhelm Liebers, der aus Halle kam und in den 50er Jahren noch für Preußen Münster spielte. Mit dabei waren noch Spieler aus Leipzig, Berlin und Bayern. Ich muß wirklich sagen: wir elf, zwölf, dreizehn Spieler hatten einen guten Zusammenhalt und gute Freundschaft.
Gab es für die Fußballmannschaft im Lager Privilegien?
Ja, wir Fußballspieler waren bei den Engländern beliebter. Wir hatten mehr Freiheiten, bekamen bessere Verpflegung, hatten öfter Ausgang als normale Gefangene und konnten reisen. Wir haben durch den Fußball Städte gesehen, in die wir sonst nie gelangt wären: Alexandria, Kairo. Die Engländer haben uns fast ein wenig verehrt aufgrund unserer hohen Spielweise.
Welche Bedeutung hatte der Sport für Spieler und Zuschauer in der Gefangenschaft?
Nun ja, wir haben die Zeit durch den Fußball leichter überstanden. Anders als die Gefangenen, die nur jeden Tag zur Arbeit gingen und nichts weiter hatten. Das war unser Vorteil. Wir dachten nicht ständig: „Was wird denn nun aus uns?“ Wenn wir spielten, war die Begeisterung im Lager groß. Besonders, wenn man gegen englische Auswahlmannschaften antrat, in denen National- und Berufsspieler mitspielten. Interview: Ralf Klee
Heinz Schwipps wurde 1947 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und kehrte in seine zerstörte Heimatstadt Dresden zurück. Dort war der gelernte Maschinenschlosser noch für verschiedene Vereine als Trainer aktiv, unter anderem für den SV Turbine Dresden, BSG Tabak Dresden und den SV Wesnitztal.