Heim unter dem Hammer

Die Zahl der Zwangsversteigerungen von Immobilien ist 2004 wieder einmal gestiegen. Vor allem in Ostdeutschland nahmen die Versteigerungen rapide zu. Schuld sind zunehmende Arbeitslosigkeit, Fehlkalkulationen und zerbrochene Beziehungen

VON BARBARA BOLLWAHN

Am 3. Dezember erfuhr Klaus M. durch einen Brief, dass ihm sein Haus nicht mehr gehört. Das Potsdamer Amtsgericht hatte seine Doppelhaushälfte für 50.000 Euro zwangsversteigert. Der 49-Jährige aus einem kleinen brandenburgischen Dorf betrank sich und ging in den Keller. Dort drehte er den Gashahn auf, bald verteilte sich das Gas im ganzen Haus. Wenn seine Lebensgefährtin und ein Nachbar nicht die Feuerwehr gerufen, hätte der ehemalige Handwerker wohl nicht nur sein Haus, sondern auch sein Leben verloren.

Die Zwangsversteigerung der Doppelhaushälfte von Klaus M. gehört zu den fast 600 Zwangsversteigerungsterminen, die es in diesem Jahr vor dem Amtsgericht Potsdam gegeben hat. 2004 war ein Rekordjahr für das Zwangsversteigern von Immobilien. Über 92.000 Termine an den bundesdeutschen Amtsgerichten zählte die Argetra GmbH aus dem rheinländischen Ratingen. Das Unternehmen, welches sich im Internet als „Der günstige Weg zur eigenen Immobilie“ preist, veröffentlicht die Versteigerungstermine monatlich seit über zwanzig Jahren in einem eigenen Kalender. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Zwangsversteigerungen um knapp 1 Prozent angestiegen. Damit setzt sich ein trauriger Rekord fort. Vor zehn Jahren gab es nach Argetra-Angaben 21.900 Zwangsversteigerungstermine. Auch die Summe der Verkehrswerte ist gestiegen. Um fast 5 Prozent auf 18,8 Milliarden Euro. Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen machen gut 60 Prozent der Zwangsversteigerungen aus. Knapp 30 Prozent betreffen Mehrfamilien-, Wohn- und Geschäftshäuser sowie Gewerbeobjekte. Der Rest sind Grundstücke, Garagen, Wochenendhäuser, aber auch Schiffe und Flugzeuge.

Dass es dieses Jahr 92.306 Zwangsversteigerungstermine gab, bedeutet aber nicht, dass tatsächlich ebenso viele Immobilien versteigert wurden. Schließlich war jeder dritte Termin ein Wiederholungstermin. Das heißt, bei gut 30.000 Terminen wurden nicht die erforderlichen 50 Prozent des Verkehrswerts geboten, und deshalb musste ein neuer Termin angesetzt werden.

Große Unterschiede gibt es zwischen den alten und neuen Bundesländern. In Sachsen und Thüringen gab es dieses Jahr einen Anstieg der Zwangsversteigerungen um fast 9 Prozent, in Berlin und Brandenburg um über 5 Prozent. Rückläufige Entwicklungen gab es in Rheinland-Pfalz (minus 13,8 Prozent), Bayern (minus 7,9 Prozent) und Baden-Württemberg (minus 7,8 Prozent).

Im Frühjahr dieses Jahres hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eine Studie zur Untersuchung der Zahlungsschwierigkeiten von Wohneigentümern in Auftrag gegeben. Danach liegen die Hauptursachen für Zahlungsschwierigkeiten in Arbeitslosigkeit, Trennung vom Lebenspartner und Fehlkalkulationen. In der Ministeriums-Studieheißt es weiter: „Die Entwicklung von Zwangsversteigerungen muss sehr ernst genommen werden.“

Andererseits sei die Zunahme der Zwangsversteigerungen aber auch eine Begleiterscheinung der „positiven Entwicklung der Wohneigentumsbildung“ seit Mitte der 90er-Jahre. Zwischen 1998 und 2002 habe die Zahl der Eigentümerhaushalte bundesweit um über 8 Prozent zugenommen Damit stieg die Eigentumsquote in den alten Ländern auf fast 45, in den neuen Ländern auf gut 34 Prozent.

Klaus M., der sein Haus nach der Zwangsversteigerung in die Luft sprengen wollte, hatte einen Kredit für den Umbau aufgenommen. Den konnte er nach der Trennung von seiner Frau und dem Verlust seiner Arbeit aber nicht mehr abbezahlen.