: Schutzzone für den Schuss
Drogenkonsumräume haben 2004 viele Leben gerettet
Nordrhein-Westfalens BürgerInnen nehmen nicht weniger, aber dafür kontrollierter Drogen zu sich. Die Zahl der Drogentoten in NRW ist 2004 um ein Viertel gesunken: Landesweit seien bis Mitte Dezember 290 Frauen und Männer an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben, berichteten Innenminister Fritz Behrens und Gesundheitsministerin Birgit Fischer (beide SPD) gestern in Düsseldorf. In den beiden vergangenen Jahren lag die Zahl der Drogentoten mit 391 beziehungsweise 385 jeweils etwa 25 Prozent höher. Im Jahr 2000 wurden sogar 505 Rauschgifttote registriert. Während Behrens die „konsequente Strafverfolgung von Drogenhandel“ für die erfreulichen Zahlen verantwortlich macht, glaubt Fischer an die positive Wirkung der Hilfsangebote.
Hauptverantwortlich für die geringere Todesrate sind die so genannten Drogenkonsumräume. Im April 2001 eröffnete in Münster die erste „Fixerstube“, Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Essen, Köln und Wuppertal folgten.Dort können Süchtige unter hygienischen Bedingungen und ärztlicher Aufsicht Heroin spritzen können. Sie bringen ihren Stoff selbst mit und erhalten dort kostenlos sterile Spritzen. Das Angebot kommt gut an: Mehr als 1.400 Menschen suchen jeden Monat die Räume auf, über 130.000 saubere Schüsse wurden so gesetzt.
Lebensrettend waren oft die Erste-Hilfe-Maßnahmen der geschulten MitarbeiterInnen. Sie haben in den vergangenen drei Jahren 800 Menschen wiederbelebt, die auf dem Bahnhofsklo oder auf einer Parkbank wahrscheinlich gestorben wären.
Trotz seiner Erfolge wurde der auch Fixerstube genannte Raum von konservativer Seite hart bekämpft. Die CDU und Teile der Polizei behaupteten immer wieder, das Hilfsangebot würde den Rausch noch fördern: Düsseldorfs OB Joachim Erwin (CDU) wehrte sich lange Zeit gegen den „subventionierten Rausch“, erst in diesem Oktober beschloss der schwarz-gelbe Rat, eine Stube in der Landeshauptstadt zuzulassen.
Spektakulär war auch die Entlassung von Bielefelds Polizeichef Horst Kruse. Die Staatsanwaltschaft warf ihm „Strafvereitelung im Amt“ vor, er soll Drogenhandel in der Fixerstube geduldet haben. Kruse wurde freigesprochen und klagt jetzt seinerseits gegen das Land auf eine Entschädigung. Kruses Fall zeigte, dass die MitarbeiterInnen der Hilfsstellen nicht ausreichend geschützt sind und sich in einem rechtsfreien Raum befinden. Sie fordern deswegen seit Jahren Rechtssicherheit.
Die Regeln für die KonsumentInnen sind hingegen streng und klar: Wer in nordrhein-westfälische Konsumräumen drücken will, darf nur seinen eigenen Stoff benutzen. Er oder sie steht unter ständiger Beobachtung der MitarbeiterInnen. Schon der kleinste Austausch der verbotenen Substanzen wird geahndet, die Abhängigen können dann Hausverbot bekommen.
ANNIKA JOERES