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Archiv-Artikel

Streik auch bei den Chemikern

ARBEITSKAMPF Beim Kunstharz-Hersteller Cytec in Hamburg kämpft die Belegschaft mittels Sozialtarifvertrag für Standortsicherung – Novum in der Chemiebranche

„Es ist definitiv der falsche Weg, in der Krise Arbeitsplätze abzubauen“

IG BCE-Bezirksleiter Jan Eulen

VON KAI VON APPEN

Für die IG BCE (Bergbau Chemie und Energie) ist es tarifpolitisches Neuland – denn „Streik“ war bislang eher ein Fremdwort. Dennoch hat die Belegschaft des Hamburger Kunstharz-Herstellers Cytec entschieden, dass der Arbeitskampf um einen Sozialtarifvertrag die einzige Chance sei, die 160 Jobs und den Standort Hamburg zu erhalten oder zumindest Entlassungen sozial abzumildern. Am Donnerstagmorgen legten die Beschäftigten zu Beginn der Sozialtarif-Verhandlungen zweieinhalb Stunden die Arbeit nieder und demonstrierten durch Hamburg-Wandsbek. Am Mittag sind die Verhandlungen zunächst vertagt worden.

In der Nacht hatte sich „Tor 1“ des Werks verwandelt. Neben der Cytec-Flagge prangte ein Transparent mit der Aufschrift „Warnstreik“ und an den Zäunen hingen Banner mit der Frage: „Heute Arbeit und morgen?“ Aus einer Feuertonne mit einer Ausstanzung „Cytec“ loderte eine Flamme. „Wir haben nicht nur Chemiker, sondern auch Metaller“, freute sich Betriebsratschef Werner Voß. Die Idee für die Feuertonne kam von der HWU-Belegschaft aus Hohenlockstedt – Bilder ihrer Tonne im Kampf um ihre Jobs waren in ganz Deutschland zu sehen. Auch IG BCE-Sekretär Ralf Erkens zeigte sich zufrieden über die nahezu 100 Prozent-Beteiligung am Warnstreik. „Seit dem 8. Januar haben wir einen langen Weg hinter uns und und es kann noch ein langer Weg werden.“

An jenem Tag hatten Cytec-Manager mitgeteilt, dass in dem zum US-Konzern Cytec Engineered Materials gehörenden Werk 100 der 160 Jobs wegfallen sollen. Mehrere Produktionspaletten für Harze sollen nach Österreich verlagert werden. Die Harze finden in hochwertigen Decklacken und Korrosionsschutz-Grundierungen für Autokarosserien Verwendung.

Die Belegschaft wehrt sich gegen mögliche Entlassungen mit der Forderung nach einem Sozialtarifvertrag. Eine drei Jahre vom Betrieb bezahlte Transfergesellschaft, zweieinhalb Monatslöhne Abfindungen pro Beschäftigungsjahr – das sind die Forderungen, für die gestreikt werden könnte und den Geschäftsführer Matthias Meyer dazu bewegen sollen, vom Stellenabbau abzusehen. Man dürfe „keine Schmalspurgeschichten in Zeiten der Krise“ schreiben, appelliert IG BCE-Sekretär Ralf Erkens.

Auch IG BCE-Bezirksleiter Jan Eulen, der viele Jahre keinen Warnstreik mehr erlebt hat, ist an diesem Morgen zu Cytec gekommen. „Es ist definitiv der falsche Weg, in der Krise Arbeitsplätze abzubauen“, sagt er. Er begreife nicht, warum die Amerikaner nicht deutsche Instrumentarien wie Kurzarbeit anwenden, „um mit der gesamten Belegschaft aus der Krise zu kommen“. Die BCE praktiziere eigentlich eine „gepflegte Form der Sozialpartnerschaft“, sagt Eulen. Doch nun kündigt er „erbitterten Widerstand“ an: „Wer Angst sät, wird Streik ernten.“