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Archiv-Artikel

„Rudi Dutschke war mein Vorbild“

Zum 25. Todestag erschien am24. Dezember die Dutschke-taz. Heute erinnern sich taz-GenossInnen

Rudi Dutschke war mein Vorbild. Als meine US-amerikanische Freundin Jane und ich uns Mitte 1966 in Berlin entschlossen, zu heiraten – ganz gegen das, was damals als angesagt galt –, mussten zuerst einmal bürokratische Prozeduren eingeleitet werden. Eine davon hieß: Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses. Niemand konnte uns sagen, wozu das gut sein sollte, aber das Standesamt im Berliner Rathaus Schöneberg beharrte darauf. Als wir den Antrag stellten, zeigte man uns ein Muster, wie man das ausfüllen müsse: Rudi Dutschke und Gretchen Klotz hatten just drei Monate zuvor eben diesen ominösen Antrag gestellt. Meinem Vorbild getreu taten wir, wie uns geheißen, und heirateten. Die Ehe hielt im Übrigen nicht so lange wie die von Rudi und Gretchen.

PETER RIPKEN, FRANKFURT AM MAIN

Rudi Dutschke war und ist für mich Ausdruck des Bedürfnisses selbstverantwortlicher bewusster Menschen nach einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung der Mitwelt.

HARALD WALTHER TAUSS, GRAZ

Rudi Dutschke hat mir stets, gerade wenn ich anderer Meinung war, die Erfahrung vermittelt, dass es möglich ist, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. DR. MICHAEL HOENISCH

Rudi Dutschke ist mir zweimal begegnet; einmal als Lebender, das zweite Mal als Toter. Vorausschicken muss ich, dass ich einer älteren Generation angehöre als er. Er war mir als einer der Köpfe der studentischen Anti-Springer- und Vietnam-Bewegung ein Begriff, spätestens seit Ende der 60er-Jahre der Spiegel ihm unter allen Mitstreitern das größte Charisma bescheinigte. Seine Ziele waren mir sympathisch, seine augenscheinliche Verbissenheit weniger. Mitte der 70er-Jahre hatte er einige eindrucksvolle Fernsehauftritte: Etwa eine von Günter Nenning moderierte Diskussion, in deren Verlauf er gemeinsam mit Daniel Cohn-Bendit den reaktionären Welt-Journalisten Matthias Walden und den betulichen Soziologen Kurt Sontheimer plattmachte, oder eines der legendären Zur-Person-Gespräche mit Günter Gaus.

Am Morgen nach einer dieser Sendungen erblickte ich ihn plötzlich in der S-Bahn zum Flughafen, wo er sogleich seine Aktentasche öffnete und sich in ein Manuskript vertiefte. Ich habe ihn trotzdem mit den Worten angesprochen: „Sie waren klasse gestern Abend.“ Was ihn sichtlich erfreute. Als er nach seinem plötzlichen Tod in Berlin beigesetzt werden sollte, fühlte ich: Da musst du hin, und nahm einen Tag Urlaub. Ich werde es nie vergessen: Ein frostkalter Wintermorgen in Dahlem, eine unübersehbare Menge junger Menschen, viele mit Tränen in den Augen. Seitdem lese ich alles, was ich über ihn finden kann. Und ein Leben lang werde ich Wolf Biermanns „Du, lass dich nicht verhärten“ damit assoziieren.

HELMUT RICHTER, FRANKFURT A. M.

Rudi Dutschke ist für mich immer noch ein erstrebenswerter Geist, der uns leider in dieser Situation unseres Landes zu wenig in der Öffentlichkeit begegnet. Wo sind die Mahner, die mit ihrer Stimme laut, und vor allem gehört, sprechen! Wie soll dem gemeinen Menschen denn sonst ein Weg aus seiner Lage gewiesen werden. SVEN SCHÖBEL