: Die Ein-Gang-Gang
RADELN Von Freaks geliebt, von der Staatsgewalt verfolgt, als Lifestyle akzeptiert – Fixies sind der neue Trend in der Fahrradszene. Weil sie so schön verboten sind? Alles Wissenswerte über den urbanen Ponyexpress
■ Das ist es: Das Fixie wurden eigentlich für den Bahnradsport gebaut. Es hat nur einen Gang, keine Bremse, keine Schaltung. Von Licht und Klingel und anderem Gebrauchswertigem zu schweigen. Es kostet zwischen 1.000 und 3.000 Euro.
■ Das kann es: Das Fixie ist verdammt schnell, jedenfalls auf gerader Strecke. Im Bahnradsport kann es bis zu 70 Stundenkilometer fahren. Das hat es einst für Fahrradkuriere interessant gemacht. Bremsen will gelernt sein.
■ Das bedeutet es: Das Fixie gilt als Trendaccessoire cooler Urbanisten. Obwohl es für den Stadtverkehr denkbar ungeeignet ist, sind in Berlin, Hamburg und München schon Tausende unterwegs.
■ Das passiert: Das Fixie ist für den Straßenverkehr nicht zugelassen. Die Polizei hat bereits Dutzende davon eingezogen – vorausgesetzt, der Fixie-Fahrer ließ sich einfangen.
■ Das geht: Fixie-Händler bieten inzwischen Modelle mit Bremsen an. Unter Puristen wird das natürlich belächelt.
VON PHILIPP STACHELSKY
Was haben Expräsident George W. Bush, Black-Music-Legende Pharrell Williams und der Bankangestellte Marvin aus Kreuzberg gemeinsam? Alle drei besitzen das gleiche Fahrrad: ein Fixie.
Fixies sind gerade der hot shit in der Radsportszene, den Händlern werden sie regelrecht zwischen den Beinen weggerissen. Dabei haben sie – außer zwei Rädern – mit dem Durchschnittsfahrrad kaum etwas gemein. Ursprünglich für den Bahnradsport, also auf Highspeed, konstruiert, haben Fixies nur einen Gang. Daher rührt auch der vom englischen fixed gear abgeleitete Name. Eine Bremse sucht man vergebens, gestoppt wird entweder mit verlangsamtem Treten oder indem man bei voller Fahrt sein Körpergewicht auf das Vorderrad verlagert und gleichzeitig Druck auf die Pedale macht. Umständlicher und gefährlicher geht’s kaum.
Wie konnte ein Fahrrad Trend werden, das eigentlich keins ist?
Die Grundvoraussetzung für jeden halbwegs anständigen Trend erfüllt das Fixie schon mal: Es kommt aus den USA. Dort schaffte es den Weg von der Radbahn auf die Straße, weil immer mehr Fahrradkuriere fix auf dem Fixie waren. Das geringe Gewicht erlaubt hohe Geschwindigkeit auf flachem Gelände und gleichmäßiges, rhythmisches Fahren. Durch den starren Gang spürt der Fahrer jede seiner Bewegungen, er steuert sein Fixie nicht nur mit den Füßen, sondern auch durch die Körperbalance.
Ein cooler Radspartaner
Weitere Vorteile: wo wenig Technik, da wenig Wartung. Und weniger Begierde: In den Anfangszeiten war der Radspartaner schlicht nicht wertvoll genug, um geklaut zu werden. War! Heute kostet ein halbwegs anständiges Fixie zwischen 1.000 und 3.000 Euro und wird von seinen Besitzern lieber in der Wohnung als im Keller geparkt.
Die hohen Preise tun dem Fixie-Hype keinen Abbruch, im Gegenteil. Die Fangemeinde der Eingänger wird immer größer. Geübten Pedaleuren, die mit ihrem Fahrrad nicht nur von A nach B navigieren, sondern Radfahren als Kunstform begreifen, gelten Fixies als die Erfüllung ihrer Träume. Im Internet finden sich unzählige Videos mit Tricks, von denen Rückwärtsfahren noch der leichteste ist. Sogar Rad-Polo gibt es schon. Fixies sind Pinsel mit Speichen für Picassos auf Rädern.
Trendige Fahrräder, die trendige Sachen können, locken natürlich auch einen Haufen trendiger Leute an. Der hohe Coolnessfaktor führt dazu, dass beispielsweise der stets up to date agierende Neuberliner im kopfsteingepflasterten Stadtteil Friedrichshain ein Fixie als angemessenes Transportgerät begreift, um seinen Latte macchiato im Szenecafé zu schlürfen – Fixies als Lifestyle.
Wie groß die bundesweite Fixie-Begeisterung ist, lässt sich auch daran erkennen, dass auch die Polizei darauf aufmerksam geworden ist. Unter Ordnungshütern gelten Fixies als Anarchie auf zwei Rädern, denn sie haben nichts von dem, was laut Straßenverkehrsordnung ein Fahrrad kennzeichnet. Der Gebrauch eines Fixies, sagt Thomas Goldack von der Berliner Polizei, sei „hochgradig gefährlich und bedroht auf jeder Fahrt Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer und des Fahrers selbst“. Im April hat die Berliner Polizei zehn Fixies einkassiert – „zur Gefahrenabwehr“.
Kiffen auf Rädern
Ob so dem Fixie-Treiben tatsächlich Einhalt geboten werden kann, ist fraglich. Die Kriminalisierung heizt den Trend eher weiter an. Besonders für jüngere Fahrer bietet das illegale und riskante Fahren einen Kick, das Gefühl des zivilen Ungehorsams gibt es gleich gratis dazu. Quasi Kiffen auf Rädern. Den Konsumenten ergeht es dabei vergleichbar: Ist der Genuss beim ersten Mal noch berauschend und abenteuerlich, kann der verantwortungslose Nutzer schwere Schäden an sich und seiner Umwelt verursachen. Einmal versuchen sollte man es aber auf jeden Fall.