Kein Auto mehr für Cotonou

WELTWIRTSCHAFT Der Exporthandel mit Gebrauchtwagen stirbt. Dank Abwrackprämie und Währungsverfall müssen Hassan Bazzi aus Deutschland und Robert Peingetol aus Benin sich neue Geschäftsfelder suchen

■  Die Regel: Wer die Abwrackprämie von 2.500 Euro beantragen will, muss beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle den entwerteten Fahrzeugbrief und einen Nachweis der Verwerter beibringen, der bestätigt, dass das Auto nun wirklich Schrott ist. Über 1,4 Millionen Anträge sind bislang eingegangen.

■ Der Verdacht: In den letzten Wochen wurden Betrugsfälle bekannt. Der Bund der Kriminalbeamten schätzt, dass rund 500 vermeintlich abgewrackte Autos nach Afrika gelangt sind – mit gefälschten Papieren. In Hamburg hatten Fahnder 27 offiziell verschrottete Wagen für den Export entdeckt. Einer war schon auf dem Weg nach Benin und wurde zurückgeholt.

VON JOHANNES GERNERT
(BERLIN/HAMBURG) UND HAKEEM JIMO (COTONOU)

Die Gitterstäbe kommen immer näher. Noch sind da ein paar Meter Abstand. Noch hat Hassan Bazzi Autos und ein bisschen Geld, um den Bauzaun auf Distanz zu halten. Noch läuft er zwischen zerbeulten und polierten Wagen hin und her, mit schwarzen Fingern, Ölstriemen auf der Jeans, und wenn sein Handy libanesische Lieder singt, schaut er kurz auf die Anzeige, prüfend, und spricht dann hinein. Meistens gleich auf Arabisch. Deutsche rufen kaum noch an. Deutsche müssten anrufen, er bräuchte neue Autos. Egal welche, Pkws, Busse, Unfallwagen, mit oder ohne TÜV. So steht es auf seiner Visitenkarte: „Barzahlung und Selbstabholung sind für uns selbstverständlich. Bazzi Autohandel, Toyota Export. Auch per SMS kontaktieren.“ Die Karte fleht. Aber es gibt keine Autos mehr für Hassan Bazzi.

Der Schotterplatz an der Berliner Yorckstraße, den er sich mit anderen Händlern teilt, wird immer leerer. Die Autos verschwinden. Und mit ihnen Bazzis Kollegen. Jedes Mal, wenn wieder einer geht, steckt der Vermieter die Bauzäune um. Dahinter wächst die Freifläche, grau und steinig. Sie bewegt sich auf Bazzi zu, wie eine leise Gerölllawine. Im März hat er 100 Euro Gewinn netto gemacht. Sonst waren es 2.000 oder 2.500 Euro. Bis Ende Mai ist sein Platz noch bezahlt. Dann wird er weitersehen. Manche der ehemaligen Nachbarn fahren jetzt Pizza aus. In seinem Gesicht mischen sich Häme und Verzweiflung, wenn er davon erzählt. „Entschuldigung“, sagt Hassan Bazzi, sein Bauch rund wie ein VW-Käfer, „das ist nicht mein Job.“ Er überlegt, mit seiner Familie zurück in den Libanon zu gehen. Im Libanon gibt es keine Abwrackprämie.

Als im Herbst düstere Krisenwolken über dem Autoland Deutschland standen, forderte die IG Metall, dieses Konstrukt aufzuspannen, damit nicht alle ihre Autoarbeiter im Regen stehen. Mitte Januar hat die Bundesregierung das Gesetz verabschiedet. Seitdem haben mehr als 1,4 Millionen Deutsche beschlossen, ihr altes Auto zu verschrotten und ein neues zu kaufen. Die Abwrackprämie hat den Absatz von VW und Opel gesteigert. Und sie hat Hassan Bazzi ruiniert. 2.500 Euro fürs Verschrotten eines Wagens, der mindestens neun Jahre alt ist. Bei dem Preis kann Bazzi nicht mithalten.

Beachpark statt Autos

Mohamad Alis Hof liegt neben Bazzis Platz, zwischen zwei unverputzten Steinmauern. Ali hat sein Gewerbe, den „Rixdorfer Autohandel“, Ende April abgemeldet. Jetzt ist er nur noch der Stellvertreter seines Onkels, der den Platz vermietet. Am rostigen Eingangstor hängt eine Deutschlandflagge, WM 2006. Über ein altes Schild haben sie in Schwarz die Worte „Auto“, „Import“ und „Export“ gesprüht.

Nebenan gibt es seit ein paar Wochen einen Beach-Park für Freizeitsport, auch da waren einmal Händler. Auf Alis Hof stehen sich zwei Reihen Jeeps, Kleinwagen und Busse gegenüber. Toyota, Nissan, Honda. In der Bürobaracke hängen an einem Brett die Schlüssel, durchnummeriert. Ali ist für die Verschiffung zuständig. 520 Euro kostet der Transport eines Wagens über Hamburg in den Hafen von Cotonou, nach Benin, zu einem der wichtigsten Autoumschlagplätze Afrikas.

Ein Nigerianer im Blaumann kommt herein, ein Edeka-Aufnäher auf der Brust. Er würde gern ein Auto verschiffen, nach Lagos, für einen Freund, sagt er. „It’s a Golf.“ Wie viel? Ali, 30 Jahre alt, immer ein paar blasslila 500-Euro-Scheine in der Jeans-Tasche, drückt seinen Rücken in den Bürosessel und trommelt mit den Fingern auf eine Packung Marlboro. 600 Euro, sagt er. Unter seinem Schreibtisch stapeln sich Autoreifen. 500 Euro, schlägt der Nigerianer vor, am Sonntag. Ali schüttelt den Kopf. „Du weißt doch die Preise, Mensch. Du kommst doch immer.“

Er sitzt da, klein, kräftig und freundlich, mit der Lässigkeit von einem, der sein halbes Leben mit dem Geschäft verbracht hat. Ali war 12, als ihm sein Vater mit einem 200er Mercedes in einem Weinberg von Bablieh, im Süden des Libanon, das Fahren beibrachte. Er war 17, als er in Berlin Pizzawerbeflyer verteilte, 180 Stunden Deutschkurs und acht Monate Asylbewerberheim in Treptow hatte er da hinter sich. An einem Auto entdeckte er einen Zettel: zu verkaufen, 800 Mark. Sein Cousin hatte für einen ähnlichen Wagen gerade fast das Doppelte bezahlt. Ein Schnäppchen, das sah er sofort. Von der nächsten Telefonzelle aus rief Ali den Besitzer an. Er handelte ihn auf 500 Mark herunter. 260 Mark lieh er sich vom Chef der Pizzeria, den Rest von Verwandten. Nachdem er eine Weile daran herumgeschraubt hatte, verkaufte er das Auto für 1.000 Mark. So wurde er vom Zetteljungen zum Autohändler. „Damals ging es den Deutschen gut“, sagt Ali, „Sie hatten viele alte Autos und wollten sie loswerden.“

Er erlebte, wie sich Berlin ab Mitte der 90er-Jahre zu einer Drehscheibe im Gebrauchtwagenhandel entwickelte. Es klemmten in der Hauptstadt irgendwann so viele Visitenkärtchen an den Seitenfenstern der Fahrertüren und flatterten über die Gehwege, dass die Ordnungsämter Bußgeld fürs Verteilen verhängten. Die Autos kamen aus ganz Deutschland, auch aus Italien, Südeuropa. Die zweistöckigen Transportlaster rumpelten von den Berliner Sammelplätzen ins polnische Stettin, weiter nach Litauen, Russland, Kasachstan, Aserbaidschan. Oder sie fuhren nach Hamburg und Bremerhaven, wo klapprige Karren mit Rostflecken von Jeeps auf die Decks der Frachter geschoben wurden, wenn sie selbst nicht mehr ansprangen. „Ohne TÜV, ohne ASU, bisschen verrostet, bisschen vergammelt“, so sah jahrelang das typische Afrika-Auto aus, sagt Ali. Im Schnitt 15 Jahre alt, hat eine Studie 2003 festgestellt. Anders in jüngster Zeit, da „hat man alles geschickt“, sagt Ali. „auch schöne Autos, auch Vollausstattung“.

Sein Bruder saß eine Zeit lang in der Hafenstadt Cotonou, hatte sich mit einigen anderen Libanesen ein Haus gemietet und prügelte sich jedes Mal, wenn ein Schiff angelegt hatte, mit den Ladungspapieren zu seinen Autos durch. Noch bevor die Wagen bei den Adressaten waren, wurden sie von den Massen gerupft wie geschlachtete Hühner. Spiegel, Scheinwerfer, Scheibenwischer, alles ab, wenn es nicht gesichert war. Eine Hölle, sagt Ali. Er hat davon am Telefon gehört, er war nie da. Auf seinem Hof stopfen Nigerianer, Kameruner und Beniner ihre Kleinwagen und Busse mit alten Fernsehern, Matratzen und Computern voll, die ihre Partner in Westafrika verkaufen. Wie Container voller Trödel rollen die Autos an Bord der Schiffe. Mit den Erlösen wird ein Teil der Überfahrt finanziert.

Nur noch pressen

Zweimal täglich haben früher Transportlaster den Platz verlassen. Jetzt schaukeln Autotransporter einmal pro Woche los. „Höchstens“, sagt Ali. „Die wollen alle nur noch pressen.“ 60.000, 30.000 Kilometer auf dem Tacho, kaum gefahren. Er versteht es nicht. „Warum muss das Auto unbedingt in die Schrottpresse?“

Neben den Bürocontainern auf den Autosammelplätzen sitzen jetzt häufig junge Araber auf Plastikgartenstühlen und ziehen an ihren Wasserpfeifen. Immer weniger haben noch schwarzen Schmutz an den Händen, viele gehen zum Jobcenter. Sie erzählen sich Geschichten von diesen seltsamen Deutschen, denen man heute 2.500, sogar 3.000 Euro für ihre alten Autos bieten kann und die trotzdem nur eines wollen: das Abwrack-Zertifikat. „Diese Menschen sind behindert“, sagen sie. Dass viele Hersteller auf die staatliche Abwrackprämie nochmal die gleiche Summe obendrauflegen, kommt in ihrer Rechnung nicht vor. Sie schimpfen auf die Kanzlerin. „Sie meint, es ist Umwelt, und schmeißt alles auf den Schrottplatz“, sagt Hassan Bazzi. Wenigstens den Export in Länder, die nicht zur EU gehören, könnte die Regierung erlauben, sagen sie.

Seit Jahren haben Umweltschützer beklagt, die ollen Stinker aus Deutschland würden Afrika verpesten

Man muss ja handeln

Sie glauben, dass sie ihren Gegner kennen. Sie nennen ihn Abwrackprämie, manchmal „Mährkel“, und hoffen, dass das Verschrotten bald ein Ende hat. Sie vergessen, dass das Unheil vorher anfing, im Herbst 2008. In Polen stürzte der Złoty ab, andere osteuropäische Staaten standen plötzlich kurz vorm Bankrott. Deutsche Autos wurden viel zu teuer. Schon da schlichen auf den Plätzen kaum noch Polen oder Litauer mit Digitalkameras um die alten Wagen.

In dem Holzschuppen neben Alis Bürobaracke lagern seit neuestem Getriebe, Motoren und Antriebswellen. Das ist das, was die Schrottplätze der Region ihm übrig lassen. Er versucht es damit, als Alternative. „Man kann ja nicht sagen: Da bleibe ich zu Hause. Man muss ja was drehen, man muss handeln.“ Ersatzteile sind ein ganz anderes Geschäft, sie werden in Containern verschifft, in andere Häfen, es gelten andere Zollbestimmungen. Das Gute, sagt Ali, sei, dass er überall auf der Welt Libanesen kenne. Er hat immer Handelspartner, egal wo. „Das ist unser Vorteil.“ Jedenfalls solange es einen Markt gibt.

Umweltschützer mochten nie, was Ali und seine Kollegen taten. Sonja Tesch hat immer beklagt, dass die ollen Stinker aus Deutschland Afrika verpesten. Die Luftverschmutzung dort sei in der Hafenstadt Cotonou enorm, hat sie den Leuten erzählt, die auf den gemütlich-glänzenden Holzbänken ihres Kutters saßen, während er durch den Hamburger Hafen tuckerte. Tesch, 67, kurze graue Haare, kein Auto, ist eine der Führerinnen von alternativen Hafenrundfahrten. Es geht um Kolonialhandel, Teppiche, T-Shirts. Ausbeutung und Kinderarbeit. An diesem Maimorgen sitzt eine Schulklasse vor ihr. Tesch schaut durch die Schiffsscheibe auf den Oswald-Kai, wo Tanker mit neuen und gebrauchten Autos in Richtung Afrika und in den Mittleren Osten aufbrechen. Kaum ein Wagen wartet dort, nur am Rand entdeckt sie einige Kleinbusse. An der nächsten Ablegestelle, wo sie sonst manchmal welche gesehen hat, presst sie ihre Nase gegen die Scheibe, auf der das Elbwasser verschwimmt, und kneift die Augen zusammen. Wieder nichts. Und dann, einen Kai weiter, entdeckt sie einige. Sie liegen zerknautscht und flachgepresst auf der Spitze eines Schrotthaufens. Tesch erklärt den Sechstklässlern, dass das mit der Abwrackprämie zu tun hat und dass dieser Schrott in Länder gebracht wird, wo niemand so genau darauf achtet, welche Gifte in die Luft strömen, wenn das Alteisen oder der Stahl eingeschmolzen wird. Sie ist mittlerweile nicht mehr ganz sicher, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, wenn die Autos an den anderen Kais für den Export bereitstünden. Ungequetscht.

Zu den verschrotteten Autos zählen viele, die einen geregelten Katalysator haben. Die könnten in Afrika noch einige Jahre fahren und würden weniger Abgase verbreiten als etliche Wagen, die dort jetzt unterwegs sind, meinen ökologisch orientierte Verkehrsexperten.

Jeder Kleinwagen, rechnet Greenpeace in einem internen Memo vor, hat nach der Herstellung einen virtuellen CO2-Rucksack im Kofferraum, in dem sich 30 Tonnen Kohlendioxid befinden. So viel wird bei der Herstellung ungefähr in die Luft geblasen. Wenn der Wagen wegen der Prämie verschrottet wird, obwohl er noch ein Viertel seines Lebens vor sich hätte, bleiben 7,5 Tonnen im Rucksack, während für das Nachfolgeauto schon wieder ein neuer gefüllt worden ist. Ob der Rucksack in Deutschland oder in Afrika leergefahren wird, dürfte die Ozonschicht kaum stören. Aber wer sagt, dass die deutschen Autos mit den Katalysatoren die alten afrikanischen wirklich ersetzen? Dass die Katalysatoren mit ihren Keramikhüllen auf holprigen Straße nicht kaputtgehen und man sie wegschmeißt? Wenn die Metalle nicht ordentlich entsorgt werden, sind sie Umweltgift. Es ist keine einfache Öko-Rechnung. Es ist vor allem eine sehr theoretische.

Denn im Augenblick sieht es gar nicht danach aus, dass sich Afrika überhaupt noch viele alte Autos leisten kann.

Robert Peingetol ist lange nicht mehr in Deutschland gewesen, über sechs Monate nicht. Eigentlich fliegt er fünf-, sechsmal im Jahr mit der Air France hin, um neue Autos zu organisieren. Er zieht dann von Dorfgarage zu Dorfgarage. Seit 20 Jahren macht er das so. Zurzeit braucht er keine neuen Wagen, er kriegt schon die alten nicht los.

Jeden Morgen gegen neun betritt Peingetol den Verkaufsplatz im Industrievorort von Cotonou, der Hafenstadt im afrikanischen Benin. Der kleine Endfünfziger mit der Halbglatze steigt die Holzleiter hinauf und wartet in der Hitze unter dem Blechdach auf Kunden. Von seinem Hochsitz sieht er sie von weitem. Sie zwängen sich an hunderten Autos vorbei, die dort aneinandergereiht stehen. Dazwischen immer wieder diese Hochsitze, ganz schief gezimmert, einige Meter über den Dächern der Autos. Sie sehen aus wie eine Mischung aus Baumhaus und Wachturm. Flaggen zeigen an, wo die Autos herkommen. Links von Peingetol: Frankreich und Belgien. Vor ihm: Niederlande. Bei ihm hängt eine Deutschlandfahne. Peingetol spricht nur Französisch, sein bester Übersetzer, sagt er, ist sein Taschenrechner. Er kann nicht sagen, ob er dieses Jahr noch einmal nach Deutschland fliegt. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, sagt er. Und das hat nichts mit der Abwrackprämie zu tun. Wenn er von seinem Hochsitz nach unten schaut, sieht er 150 Autos, die er noch nicht verkauft hat. Es fehlt nicht an Nachschub, es fehlt an Nachfrage.

Immer noch kommen jede Woche die RoRo-Schiffe mit Altautos an. Aus Europa, inzwischen auch aus Asien und den USA. RoRo steht für „roll on, roll off“ – ohne Container. Bis zu 2.500 Wagen rollen heraus, werden in der Nähe geparkt und nachts in Konvois zu den Verkaufsplätzen an die Stadtränder gebracht. 15 Arbeiter erledigen das für Peingetol. Früher waren es mehr, doch seit man nur noch mit Ausweis an den Wachen vorbei in den Hafen kommt, braucht er weniger Leute – es wird kaum noch geklaut.

Hassan Bazzi überlegt, mit seiner Familie zurück in den Libanon zu gehen. Im Libanon gibt es keine Abwrackprämie

Ein typisches Afrika-Auto

Etwa drei Viertel der Autos, sagt Peingetol, werden über die Grenze nach Nigeria transportiert, der Rest in den Niger, in den Tschad oder nach Kamerun. Länder ohne weitverzweigte Eisenbahnnetze und guten öffentlichen Nahverkehr, aber mit tausenden Mini-Taxis. Viele Fahrzeuge werden auch deshalb über Benin nach Nigeria gebracht, weil die Grenzkontrollen dort weniger streng sind als im Hafen von Lagos und die Zölle günstiger. Autos, die älter sind als acht Jahre, dürfen eigentlich nicht importiert werden. Nigeria will keine Müllhalde sein für Europas Verkehrsschrott. Eigentlich.

Ein altes Auto fahren auch Nigerianer nicht gerne. Aber vielen fehlt das Geld für einen Neuwagen oder einen guten Gebrauchten. Peingetol hat sich genau auf diese Käuferschicht spezialisiert. Ein typisches Modell steht gleich rechts neben dem Hochstand: ein silberner VW Passat Kombi, Baujahr 1991, 200.000 Kilometer auf dem Tacho. Eine dicke Schramme zieht sich über die Beifahrerseite. Mit so einem Wagen macht Peingetol 100 Euro Gewinn, manchmal auch 200. Er kauft ihn für 300, seine Abnehmer zahlen 2.000 Euro dafür. Transport und Zoll sind das Teuerste an den Wagen. Peingetols Nachbarn auf dem Verkaufsplatz sind fast alle Libanesen. Sie haben sich auf wertvollere Typen spezialisiert. Autos, die deutlich jünger sind als zehn Jahre.

Es leben viele Menschen von diesem Geschäft. Die Händler, die Fahrer, die Mechaniker, die mit Gummihämmern Beulen aus den Kotflügeln klopfen, weil die Pkws im Schiffsrumpf oft aneinanderschlagen wie Autoscooter. Es haben viele Menschen davon gelebt. Solange der nigerianische Naira so stand, dass Benins Nachbarn sich Euro-Autos leisten konnten. Jetzt aber hat sich der Wert des Naira innerhalb eines Jahres halbiert. „Wir können nur warten und hoffen, dass die Nigerianer wieder kommen“, sagt Peingetol.

Am 9. Mai, einen Tag nachdem die IG Metall verkündet hat, dass die Abwrackprämie in Deutschland 200.000 Jobs sichert, lehnt Mohamad Ali in Berlin auf der Kühlerhaube eines roten Toyota Corolla und gibt so etwas wie seine eigene kleine Pressekonferenz. Er trägt ein feines schwarzes Hemd mit Streifen, spitze Schuhe und zählt auf, wer auch in Deutschland alles am Autoexport verdient. Händler, Werkstätten, Spediteure, Fahrer, Reeder – ja, auch die Trödler, und selbst die Finanzämter, der Staat. Und dann in Afrika: die Hafengebühren, die Zölle, die Steuern. In der Not klingt Mohamad Ali fast wie ein Entwicklungshelfer.

Aber auch er hat Bekannte, deren Autos unverkauft in Cotonou warten. Er weiß deshalb, dass die Abwrackprämie nicht das größte Problem ist. Der Markt geht von beiden Seiten kaputt, Angebot und Nachfrage brechen fast gleichzeitig weg. Man müsste wahrscheinlich nicht nur die Prämie abschaffen, damit es Ali wieder besser ginge. Man müsste auch in Afrika eine einführen.