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Archiv-Artikel

nebensachen aus stockholm Das Parlament verordnet Schweden einen Nationalfeiertag

Auch Schweden hatte im abgelaufenen Jahr seine Nationaltagsdebatte. Nicht unter dem „Wir steigern das Bruttosozialprodukt und verlegen ihn deshalb auf einen Sonntag“-Vorzeichen. Nein, im Gegenteil. Schweden leistete sich bislang einen Nationaltag, der normaler Arbeitstag war und der deshalb auch recht unbemerkt blieb. Mit der Ausnahme, dass da die gelb-blaue Flagge am Mast weht. Doch das tut sie auch sonst ein- bis zweimal im Monat. Sei es wegen eines Geburtstags im Königshaus oder eines christlichen Feiertags.

Ursprünglich – und das schon seit 1893 – war der 6. Juni auch nur der „Tag der schwedischen Flagge“. Vor zwanzig Jahren machte man dann einen National- aber keinen Feiertag daraus. Je nach Blickwinkel mit der liebens- oder bedauernswerten Folge, anders als die Nationalfeiertage anderer Länder, nicht in nationalistische Euphorie auszuarten.

Wenn Feiern in Schweden ausarten, dann sind es solche mit Natur- und Jahreszeitbezug. Wie die Walpurgisnacht und das Mittsommerfest. Deshalb schlugen die Grünen neben politisch korrekten Gedenktagen wie dem 8. März (Internationaler Frauentag) oder 9. Dezember (Pogromnacht) auch die jährliche Begrüßung des Frühlings in der Nacht zum 1. Mai als „im Volk viel länger verankerte Tradition“ als Nationaltagstermin vor.

Doch Schwedens eigentlicher Nationaltag ist sowieso das Mittsommerfest ist – mit den Worten des Schriftstellers Herman Lindqvist „der Tag, an dem alle Schweden zu solch kollektiver Liebe zu ihrer Natur und ihren Nächsten ergriffen werden wie sonst nie“. Eine Aussage, an der statistisch nachweisbar jedenfalls außer der Verkaufsspitze bei Hochprozentigem die Tatsache ist, dass neun Monate später die Geburtenabteilungen in den Krankenhäusern völlig überbelegt sind. Was könnte besser passen, so Lindqvist, als dieser „garantiert pazifistische Tag“, an dem alle wieder Kinder würden und um die Mittsommerstange herumhüpften. Ein Tag, an dem man keine Militärparaden und patriotischen Reden brauche, „sondern einen Blumenkranz im Haar, frische Erdbeeren, Hering und Schnaps“.

War man in den zwei Jahrzehnten, in denen das Für und Wider eines nationalen Feiertags debattiert wurde, regelmäßig zum Ergebnis gelangt, so etwas neidlos den USA, Frankreich oder den norwegischen NachbarInnen zu überlassen, verschoben sich die politischen Mehrheiten in den letzten Jahren. Träume von Gleichheit, Homogenität und gemeinsamer Geschichte in einer Realität, die immer mehr vom Gegenteil geprägt ist? Das Warum wurde ebenso wenig ausdiskutiert wie die Frage, was oder wen man da eigentlich feiert.

Gustav Wasa, am 6. Juni 1523 zum König gewählt und für ein nichtschwedisches Publikum allenfalls wegen eines Knäckebrots und eines jährlich wiederkehrenden Skilanglaufs ein Begriff, gilt der traditionellen Geschichtsschreibung als Gründer der schwedischen Nation. Für seine KritikerInnen ist er vor allem ein rücksichtsloser Tyrann, der das Volk knechtete und den Traum eines geeinten, starken Skandinaviens zerstörte. Eine Feier ist er jedenfalls nicht wert.

Auf Grundlage einer Gesetzesvorlage, die sich auf 36 nichtssagenden Zeilen mit dem Warum und 40 Seiten lang mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen befasste, beschloss der Reichstag im Dezember, dem 6. Juni zum Nationalfeiertag zu machen. Gleichzeitig strich er dafür den Pfingstmontag als Feiertag – mit Geltung ab 2005 und natürlich zu spät für fast alle Kalender.

Ungetrübte Freude über diesen Feiertagstausch findet man eigentlich nur in der braunen Ecke. Da wurde mangels geeigneteren Datums bislang der Geburtstag von Rudolf Hess gefeiert. Ultima Thule jubelt, „endlich können wir einen Nationaltag begehen“, und die Nationaldemokraten freuen sich: „Jetzt demonstrieren wir am Tag der Schweden!“ REINHARD WOLFF