: Kommunal verhartzt
Nach anfänglichen Nickeleien kooperiert die Bundesagentur für Arbeit nun auch mit Landkreisen, die auf eigene Rechnung fordern und fördern. Gut für die Kunden, glaubt man in Nordfriesland
aus HusumEsther Geißlinger
„Es ist positiv angelaufen – jedenfalls kamen nicht allzu viele Beschwerden“, sagt Hartmut Pohl, Sprecher des Kreises Nordfriesland. Die Nordfriesen organisieren als einer von bundesweit 79 Kreisen die Verteilung des neues Arbeitslosengeldes II in eigener Regie – und das brachte in den vergangenen Monaten nicht nur Freude: „Ja, man konnte den Eindruck gewinnen“, erwidert Pohl auf die Frage, ob die Bundesagentur dem Kreis den einen oder anderen Knüppel zwischen die Beine geworfen habe. Inzwischen sei die Zusammenarbeit aber besser geworden.
Vor allem um die Daten der Menschen ging es, die ab jetzt ihr Geld über die Sozialzentren des Kreises beziehen und die vorher bei der Bundesagentur registriert waren. Akten wurden erst zum Jahresende geliefert – nicht etwa elektronisch, sondern in dickleibigen Schriftsätzen. „Die hängen die Mitarbeiter jetzt in die Schränke, und dann müssen wir mal sehen“, erklärt Pohl.
Daher hatten die sieben Zentren im Kreisgebiet gestern noch gar nicht geöffnet, nur in der Außenstelle Tönning lief ein Notbetrieb. Hätte es aber Pannen gegeben – etwa bei der Auszahlung des Geldes auf die Konten – hätte der Kreis das sicher erfahren, meint Pohl. Morgen soll es nun richtig losgehen.
140 Mitarbeiter wurden als Fallmanager eingestellt, um die „Kunden“ nach besten Regeln der Hartz-Kunst möglichst zügig zu „fordern und fördern“. Dazu gehört, ihnen Ein-Euro-Jobs zu vermitteln. Täglich werden rund 20 neue Arbeitsgelegenheiten gemeldet. Unmoralische Angebote – etwa von Firmen – seien noch nicht darunter gewesen, berichtet Pohl. Ihm fiel aber auf, dass besonders viele Schulen nach Ein-Euro-Kräften fragen, auch Kindergärten und Pflegeheime verlangen nach den Billig-Jobbern.
Ob jeder ALG-II-Bezieher sofort mit Spaten oder Pinsel losziehen muss, ist aber fraglich: 11.000 Menschen, rund sieben Prozent der Gesamtbevölkerung des Kreises, fallen als direkt Betroffene oder Verwandte unter die neuen Hartz-Gesetze. Für die Menschen sei es auf jeden Fall besser, dass der Kreis die Option gezogen habe, statt sich auf die Bundesagentur zu verlassen, meint Pohl: In den sieben Sozialzentren könne weit effektiver beraten werden. Auf 50 Erwachsene komme ein Fallmanager.
Entspannt war die Lage gestern auch im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dort haben sich der Kreis und die Bundesagentur zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengetan – das normale Modell. Im neuen Leistungszentrum blieb der erwartete Ansturm aus, auch mit der Auszahlung des Geldes schien alles geklappt zu haben – trotz der bundesweiten Computerpanne, die Ende vergangener Woche bekannt wurde. Per Rundruf bat der Landrat die Banken im Kreis um Hilfe, deren Mitarbeiter Überstunden schoben und per Hand die richtigen Kontonummern eintrugen.
„Vernünftig und friedlich“ verlaufe der erste Tag, berichtete der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft, Max-Detlef Schröder. Allerdings: Perfekt arbeiten konnte sein funkelnagelneues Amt gestern noch nicht: Auf den Stühlen im Foyer war die Farbe noch nicht trocken, eine Reihe von Computern noch nicht angeschlossen. Darum mussten einige der „Kunden“ gestern in ein anderes Gebäude wandern, das die meisten von ihnen bereits kannten: das Arbeitsamt.