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Archiv-Artikel

Israels Siedler im orangenen Sitzstreik

Der geplante Abzug aus dem Gaza-Streifen schürt Befürchtungen nach gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb des Landes. Angeblich wollen zehntausende von Soldaten an Evakuierungsaktionen nicht teilnehmen. Protest vor dem Parlament

AUS JERUSALEM ANNE PONGER

Die israelischen Siedler intensivieren ihre Kampagne gegen den geplanten Abzug aus dem Gaza-Streifen. Dazu gehören Warnungen vor einem angeblich massiven Widerstand unter Soldaten gegen eine Teilnahme an der Evakuierung der dort liegenden Siedlungen sowie ein am Montag begonnener unbefristeter Sitzstreik vor dem Parlament mit der Forderung nach Neuwahlen oder einem Referendum über den Abzugsplan. Während sich die Bildung einer neuen Regierung weiter verzögert, wächst die Sorge vor einem gewalttätigen Konflikt innerhalb Israels.

Das Motto des Sitzstreiks, „Von Kiew nach Jerusalem“, knüpft an den ukrainischen Wahlkampf an und soll tausende von Demonstranten gegen den Rückzug mobilisieren. „Wenn die Menschen in Kiew der Demokratie gegen die Diktatur mit ihrer orangenen Revolution im Freien bei minus 20 Grad zum Sieg verhelfen konnten, wird es auch uns hier gelingen“, lautete der Protestaufruf der Organisatoren, die die Farbe Orange für ihren eigenen Feldzug übernommen haben. Politische Opposition gegen den Rückzug gilt auch unter dessen Befürwortern als legitim. „Wenn es bei Demonstrationen, Protestzelten und Spruchbändern bleibt, gehört das in den Rahmen demokratischer Meinungsfreiheit“, betonte Jossi Sarid, Abgeordneter der linksliberalen Jachad-Partei. „Rechtsgerichtete Aufrufe zur umfassenden Befehlsverweigerung an Soldaten angesichts demokratischer Entscheidungen über Siedlungsräumungen würden indes auch die linke Verweigerung des Militärdienstes in besetzten Gebieten legitimieren.“

Am Sonntagabend hatte Generalstabschef Mosche Jaalon eine Abordnung von Siedlerführern empfangen, die ihn vor einer wachsenden Zahl von Offizieren und Soldaten gewarnt hatten, die Befehle zur Evakuierung von Siedlern boykottieren würden. Die Siedlervertreter sprachen von „bis zu zehntausenden von Soldaten, die Wege finden würden, sich vor der Evakuierung zu drücken“. Dem gingen Aufrufen von Siedler-Rabbinern an religiöse Soldaten voraus, sich nicht an der „Entwurzelung von Juden“ zu beteiligen, da dies der Halacha, dem jüdischen Gesetz, widerspreche. Der Siedlerrat enthielt sich öffentlicher Aufrufe zur Befehlsverweigerung, wendet sich hingegen nicht ausdrücklich gegen den Appell der Rabbiner. „Wir wollen die durch den Rückzug drohende Spaltung der Nation verhindern, für die Ministerpräsident Ariel Scharon die Verantwortung übernehmen müsste“, versicherte Siedlerführer Pinchas Wallerstein am Montag im Soldatensender. „Die Rabbiner rufen nicht zur aktiven Rebellion auf, sondern zur Passivität angesichts bestimmter Befehle. Vor den gefährlichen Folgen könnte uns eine Volksbefragung zum Rückzug bewahren.“

Am Sonntag hatte die Zeitung Ha’aretz darauf hingewiesen, dass mehrere Dutzend Siedlersöhne und -töchter, die für die Gründung illegaler Siedlungsaußenposten und Raufereien mit Soldaten bei Räumungsversuchen verantwortlich waren, inzwischen in Siedlungen im Gaza-Streifen leben, in der deutlichen Absicht, am Kampf gegen die Evakuierung teilzunehmen. In ihrem Leitartikel forderte Ha’aretz gestern, den Gaza-Streifen schon heute zur geschlossenen Militärzone zu erklären, in die nur dort registrierte Siedler Zugang haben. Alle „Besucher“ sollten notfalls mit Gewalt entfernt werden.