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Archiv-Artikel

Lkw-Maut: Und läuft und läuft und läuft

Mit 16-monatiger Verspätung hat die Einführung der Lkw-Maut gestern ein offenbar günstiges Ende gefunden. Während der Chef von Toll Collect Christoph Bellmer feiert, spricht Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) vom erreichten „Etappenziel“

von STEFAN KOSCH UND NICK REIMER

Kleine Auswahl der gestrigen Schlagzeilen bei den Kollegen der Nachrichtenagenturen: „Problemloser Start der Lkw-Maut in Niedersachsen“. „Maut löst keine Behinderungen auf Autobahnen aus“. „Bislang keine Staus an Grenze zu Polen“. Nicht einmal die Spediteure konnten ihr lang geprobtes, hohes Lied der Klage fortsetzen: „Der Run auf die Mautstationen war nicht so, wie einige es befürchtet haben“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes, Michael Kubenz.

Am Berliner Postdamer Platz – in der Zentrale von Toll Collect – hat Christoph Bellmer für seine Mitarbeiter eine kleine Feier ausgerichtet. Bellmer hatte im März einen der unangenehmsten Jobs der deutschen Wirtschaft übernommen – die Führung von Toll Collect. Das Maut-Debakel hatte die gemeinsame Firma von DaimlerChrysler und Deutscher Telekom zur peinlichen Lachnummer gemacht, die grundsätzliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aufkommen ließen. Noch einen Fehlschlag konnte sich Christoph Bellmer nicht leisten.

Dabei führte Bellmer zuerst die „Einmal-Fehler-mach“-Kultur ein. Eine der Ursachen des Maut-Debakels war nämlich bis dato die Vertuschung von Problemen. Einen Fehler zu machen, sei möglich, so Bellmer. „Ein zweites Mal sollte er aber nicht passieren.“ Kontrolle und Transparenz – das sind Grundsätze des 41-jährigen Ingenieurs. Bedeutet: unabhängige Gutachter, Kontakt mit der widerspenstigen Spediteuerslobby, genauso wie mit Fuhrunternehmen. Die Strategie ging auf, selbst Berufsskeptiker halten die Technik nun für funktionstüchtig.

Vom Informationsdienstleister CompuNet über den Vorstand der Telekom-Tochter T-Systems – schwer vorzustellen, dass Toll Collect schon die letzte Etappe von Christoph Bellmer ist. Sollte sein kühler, aber offener Führungsstil mit einem dauerhaft funktionierendem Maut-System einhergehen, dürfte er als Kandidat für einen Posten im Konzernvorstand der Telekom gelten. Dorthin würde er gewiß Farbe bringen – schon dank seiner Krawatten. Die trägt er nämlich am liebsten in Pink-Metallic.

Wie viele Mautpreller gestern pink-metallic durch die Republik fuhren, ist nicht bekannt – wohl aber ihre Gesamtzahl. Nach Angaben des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) wurden bis zum Mittag 1.250 Lastwagen wegen Falscheinbuchungen oder Gebührenprellerei registriert. „Das entspricht einer Beanstandungsquote von 9 Prozent“, sagte Ernst Vorrath, Präsident der mobilen BAG-Kontrolleure. Neben Nachzahlung müssen die Fahrer mit einem Bußgeld rechnen.

„Natürlich ist es wichtig, dass es reibungslos anlief und die Technik funktionierte“, erklärte gestern Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). Allerdings sei erst ein Etappenziel erreicht: „Wir werden zusehen müssen, dass sich die Systeme in den nächsten Wochen stabilisieren.“ Und bei aller Erleichterung über den offenbar endlich gelungenen Start wollte der Verkehrsminister nicht über die Einnahmeausfälle hinwegsehen, die der Fiskus durch die die Verspätung beklagt. Auf „drei Milliarden Euro ungefähr“ bezifferte sie Stolpe. Die Frage, wie viel davon auf dem Rechtsweg doch noch in die öffentlichen Kassen gespült werden können, beantwortete Stolpe gegenüber Inforadio so: „Vor Gericht und auf hoher See ist man nur in Gottes Hand.“