Tief empfundene Gebete

Berliner Thais gedenken in der Botschaft des südostasiatischen Königreichs mit einer besonderen Zeremonie der Opfer der Flutkatastrophe. Sie haben Geld gesammelt. Bevor sie es verschicken, bekommt es einen Segen von buddhistischen Mönchen

VON FELIX LEE

Die Stimmung ist gedrückt im Empfangssaal der alten Stuck-Villa in der Steglitzer Lepsiusstraße, dem Amtssitz der thailändischen Botschafterin Cholchineepan Chiramond. Vorm Eingang hängt die rot-blau-weiß gestreifte Flagge des südostasiatischen Landes auf Halbmast. Zahlreiche Trauernde haben in den vergangenen Tagen am Eingangstor Blumen hinterlegt und Kerzen angezündet, um der Opfer der Flutwelle in Südostasien zu gedenken. Und trotzdem möchte Süüa Chorensuk bei der Feier an diesem Vormittag nicht von einem Trauerfest sprechen. „Sadhana“ heißt übersetzt „tief empfundene Gebete“.

Ur-Buddha Gautama hatte einst gelehrt, dass alles Leben unbeständig ist, erzählt die Thailänderin, die seit fünf Jahren in Berlin lebt. „Alle, die geboren werden, müssen aus dem Leben scheiden. Zugleich tragen sie jedoch die Samen ihrer früheren Tugend in sich, die zu einer glücklichen Wiedergeburt führen“, sagt sie. „Wir beten dafür, dass die Verstorbenen in ihrem nächsten Leben Glück, Frieden und Zufriedenheit erfahren.“ Trotz dieses sehr optimistischen Umgangs mit dem Tod sieht auch sie in der Flutkatastrophe eine „schreckliche Tragödie“. Sie betet deswegen zugleich dafür, dass „die Hinterbliebenen in dieser schweren Zeit Trost und Stärke finden“.

Rund 20 Botschaftsangehörige und Mitglieder des Thailändischen Buddhismus-Vereins in Berlin haben sich versammelt, um der zehntausenden von Toten zu gedenken, die vor zehn Tagen Opfer des verheerenden Tsunamis im Indischen Ozean wurden. Von den Horrorbildern aus ihrer Heimat sichtlich erschüttert, lauschen die Anwesenden den Ritual-Gesängen der drei Mönche, die im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen ihren Oberkörper zum eigenen Gesangsrhythmus vor und zurück wippen. Neben ihnen ein reichhaltig verzierter Altartisch, auf dem eine goldene Gautama-Statue thront. „Nam Budda je, nam dharma je, nam ghada je“, singen die Mönche, ein Satz aus dem alten Pali, einer Sprache, die heute meist nur noch von buddhistischen Gelehrten gesprochen wird und mit dem Sanskrit verwandt ist.

Im Raum hat sich inzwischen der Geruch von Räucherstäbchen mit dem würzigen Duft von Jasmin-Reis vermischt, der am Eingang des Raumes auf einem großen Eichenholztisch bereits für die Mönche aufgetragen wird. Doch bevor sie sich zu Tisch setzen, müssen sie zunächst die Zeremonie vorbereiten: die Segnung der Spendengelder. Hunderte von Thais in Berlin haben innerhalb einer Woche mehr als 7.000 Euro gesammelt. Geld, das mit dem Segen an die Hilfsbedürftigen geschickt wird.

Doch trotz der großen Spendenbereitschaft so vieler in Berlin lebender Thais waren nur wenige zu der buddhistische Zeremonie geladen. Darunter auch Aurapin Leelitham, Abgesandte des thailändischen Außenministeriums. In der Nacht zum 31. Dezember hatte ihre Chefin sie in Bangkok angerufen und gebeten, zu den überfluteten Gebieten im Südosten zu fliegen. Ihr Flugticket nach Deutschland war zu dem Zeitpunkt jedoch bereits gebucht. Und darüber sei sie auch sehr froh gewesen, gesteht sie.

Die Zeremonie nähert sich dem Höhepunkt: Ein reichhaltig verzierter Kelch wird dem ersten der drei Mönche übergeben. Mit einer weißen Kerze erwärmt er den Kelchrand, der halb mit kaltem Wasser gefüllt ist, taucht ein Bündel Sandelholzstäbchen in den Kelch und segnet anschließend die Anwesenden, indem er sie mit dem geweihten Wasser beträufelt. Die Kraft des Feuers werde mit der Kraft des Wassers vereint, erklärt später Allan Buranakol, Leiter eines thailändischen Kampfsportvereins in Berlin, den Ablauf dieses Rituals. Abschließend überreicht die Botschafterin den Mönchen kniend in Plastikfolie umhüllte Roben. Buddhistische Mönche verdienen kein Geld, sondern leben von den Almosen der Gläubigen. Daher auch das üppige Mahl, das ihnen serviert wird.

Es sei die erste Zeremonie dieser Art in diesem Botschaftsgebäude gewesen, erzählt Botschafterin Chiramond. Von einer humanen Tragödie, von der fast alle Länder betroffen sind, spricht sie. Auch bei den tausend noch immer als vermisst geltenden deutschen Urlaubern hat sie keine Hoffnung, dass sie überlebt haben. „Wir müssen doch realistisch sein“, antwortet die gläubige Buddhistin.